Donnerstag, 2. August 2007

Zweitstudium statt Zweitauto

Prüfungen, Hausarbeiten, Lernstress. Wer endlich das Abschlusszeugnis in den Händen hält, will in der Regel nur noch eins: ab ins Berufsleben! Doch es gibt Leute, die studieren gleich noch mal, Siri zum Beispiel.

Die 25-Jährige Studenten Siri hat Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Parallel zu Abschlussprüfungen und Magisterarbeit hat sie im letzten Jahr ihres Erststudiums schon begonnen, Psychologie zu studieren. „Eigentlich wollte ich das schon nach der Schule machen, hab es mir aber noch nicht so richtig zugetraut. Was weiß man mit 19 schon vom Leben und davon, was man will? Ob ich das Psychologie-Studium jetzt durchziehe, weiß ich nicht. Aber ich muss es einfach probieren. Sonst frage ich mich mein ganzes Leben lang, ob ich es geschafft hätte.“ Und damit ist Siri nicht allein: Jeder zwölfte Student in Deutschland absolviert laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks ein Zweitstudium. Als Zweitstudium gilt jedes Studium, das nach einem ersten, abgeschlossenen Studium folgt.

Die größte Hürde des Zweitstudiums ist für die meisten Studenten dessen Finanzierung. Denn BAföG gibt’s nur noch in ganz seltenen Fällen, die meisten Stipendien gehen an Erststudenten, und die wenigsten Eltern wollen ihren Kindern noch ein weiteres Studium finanzieren.
Also ist jobben angesagt. So kommt auch Karin durchs Zweitstudium. Sie hat gleich nach dem abgeschlossenen Studium der Germanistik und Journalistik begonnen, literarisches Schreiben zu studieren. Sie sagt: „Das BaföG fällt weg, irgendwann ist man zu alt fürs Kindergeld, den Eltern will man nicht mehr auf der Tasche liegen. Momentan habe ich drei Nebenjobs. Das bedeutet natürlich Stress. Man kann sich nicht wirklich tief aufs Studium konzentrieren und hat trotzdem nie genug Geld.“ Zusätzlich zu den Lebenshaltungskosten fallen inzwischen in den meisten Bundesländern für das Zweitstudium Studiengebühren an. „Als das noch dazukam“, erzählt Psychologie-Studentin Siri, „musste ich schon ziemlich schlucken.“ Trotzdem hat sie sich gegen den Widerstand ihrer Familie für das Zweitstudium entschieden. Das Geld für die Studiengebühren hat sie sich geliehen und jobbt jetzt so viel wie möglich. Was sie motiviert? „Dass ich versuche, meine Träume zu verwirklichen. Als Soziologin zu arbeiten, könnte ich mir auch vorstellen, aber mein Traumberuf ist Psychotherapeutin.“

Was für viele Zweitstudenten komisch ist: dass die meisten ihrer Kommilitonen viel jünger sind. „Der Großteil der Studenten, die direkt von der Schule kommen, ist sehr zurückhaltend. Viele sind ganz schön unsicher und verhalten sich wie in der Schule“, hat Martin beobachtet. Der 29-Jährige hat BWL studiert und danach zwei Jahre als Betriebswirt im Marketing einer Supermarktkette gearbeitet. Als sein Vertrag auslief, hat er begonnen, Theologie zu studieren. Ein Gedanke, der ihn schon lange beschäftigte. Nach der Schule hatte er sich noch nicht reif genug für ein Theologiestudium gefühlt, wollte erst mal etwas anderes machen. Dazu kam: „Ich finde, dass Theologie allein einen nicht genügend auf das Einsatzfeld vorbereitet. Die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse kommen einem zugute.“ Auch er verzichtet auf vieles, um sich das Zweistudium leisten zu können. Er hat alle laufenden Kosten drastisch reduziert, alles verkauft, was er nicht unbedingt brauchte: von der HiFi-Anlage bis zum Auto. Heute ist es ihm wichtiger, Menschen mit dem christlichen Glauben zu erreichen als in einem Büro zu sitzen und Zahlenkolonnen an sich vorbeiziehen zu lassen. Diese Vision ist es ihm wert, noch ein paar Jahre ins Studium zu investieren.

Doch das Zweitstudium hat auch Vorteile. Viele Zweit-Studenten sagen, dass sie trotz der wenigen Zeit, die neben dem Jobben bleibt, ernsthafter bei der Sache sind als beim ersten Studium. „Ich bin viel gelassener, selektiere stärker, was ich wirklich machen will. Und ich habe nicht mehr das Gefühl, alles mitmachen zu müssen“, berichtet Karin. Martin kommt die zweijährige Berufserfahrung zugute: „Ich habe als Betriebswirt immer viel gearbeitet. Dadurch bin ich strenger mit mir geworden, kann jetzt auch auf viele Events verzichten. Ich muss mir nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen, sondern nutze die Zeit fürs Studium.“

Trotz der Angst, es nicht zu schaffen, dem Druck, das das Geld für den Lebensunterhalt allein aufbringen zu müssen, der Skepsis der Umgebung und vielleicht auch den Zweifeln, ob man als Zweifach-Absolvent gegen die junge Konkurrenz bestehen kann: Siri, Karin und Martin sind sich einig: „Ich würde es noch mal so machen.“

(Autorin: ele)

31.07.2007 14:40:46

Quelle: Unister - a place for students

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