Montag, 13. August 2007

Schrittmacher für den Schlaf: die Großhirnrinde

Der Thalamus, ein Teil des Zwischenhirns, wird oft als "Tor zum Bewusstsein" bezeichnet, da er von der Außenwelt kommende Sinnesreize filtert und zum Großhirn weiterleitet.

Ein Computermodell, das die Auswirkungen von Schwingungen der Großhirnrinde während des Schlafes auf den Thalamus simuliert, haben jetzt die Kieler Physiker Jörg Mayer, Heinz Georg Schuster und Jens Christian Claussen zusammen mit dem Lübecker Neurowissenschaftler Matthias Mölle entwickelt.

Klinische Messungen in Lübeck bestätigen, dass die Großhirnrinde im Schlaf als Taktgeber für den Thalamus arbeitet. Der Arbeitsgruppe gelang es, den Mechanismus zu identifizieren, der die thalamischen Schwingungen steuert. "Dies könnte in Zukunft ermöglichen, Schlaf durch äußere Signale besser zu beeinflussen", meint Professor Heinz Georg Schuster. Nachzulesen ist die Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Das typische Muster thalamischer Aktivität während der Anfangsphasen des Schlafes sind so genannte Schlafspindeln, eine Folge von Wellen mit einer Frequenz von zirka 13 Hertz, die rund 1 Sekunde anhalten und die durch ruhige Perioden von etwa 4 Sekunden getrennt sind. Diese Schwingung bewirkt, dass die eingehende Information gefiltert wird.

Schlafspindeln werden beim Menschen mit EEG (Elektroenzephalografie) gemessen. Wie voran gegangene Messungen an Tieren und EEG-Analysen zeigen, werden diese Schlafspindeln nicht selbstständig vom Thalamus generiert. Sie entstehen vielmehr im Wechselspiel von Großhirnrinde und Thalamus, dem thalamokortischen System.

"In unserer Arbeit zeigen wir an einem Computermodell des thalamokortischen Systems, dass sich viele experimentelle Beobachtungen reproduzieren lassen, wenn man annimmt, dass die Großhirnrinde im Schlaf der Taktgeber thalamischer Schwingungen ist", erklärt der Hauptautor Jörg Mayer vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik an der Uni Kiel.

Das experimentell beobachtete gleichzeitige Auftreten der Schlafspindeln in weiten Teilen des Thalamus wird durch die Kopplung der Großhirnrinde an den Thalamus getaktet. Dies unterscheidet sich fundamental vom Wachsein: Da nämlich leitet der Thalamus die eingehende Information an die Großhirnrinde weiter. Im Schlaf ist nun die Großhirnrinde dominierend und schaltet weite Teile des Thalamus gleich, was zu einer starken Verminderung des Informationsflusses durch den Thalamus führt.

Das Kieler Modell koppelt reale EEG-Daten der Großhirnrinde an ein Computermodell des Thalamus. Im Vergleich zeigte sich, dass der künstliche Thalamus wie der echte reagiert.

Die Arbeit ist Ergebnis eines fachübergreifenden Forschungsprojekts, das die Mechanismen untersucht, durch die Schlaf die Gedächtnisbildung verstärkt. Darauf aufbauend sollen schlafmedizinische Strategien entwickelt werden, um Erkrankungen besser behandeln zu können, bei denen Störungen der Gedächtnisbildung vorliegen, zum Beispiel bei schizophrenen oder Epilepsie-Patienten.

(Universität Kiel, AH)

Quelle: gmx.news

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