Donnerstag, 3. Januar 2008

Reisender zwischen den Welten

Es war mal ein alter Mann. Er ging nicht mehr raus aus seinem kleinen Zimmer, es war alles was ihm geblieben ist, alles was man ihm gelassen hatte. Kein Kino, kein Theater, kein Schwimmbad und auch kein Park mit frischer Luft und fröhlichem Vogelgesang. Freunde hatte er nicht mehr, kein Kind, keine Geschwister, keine Eltern und keine liebende Frau.

Karg war seine Zimmerausstattung, spartan seine Lebenweise, schlicht seine Kleidung und bescheiden geworden seine Ansprüche gegenüber dem Leben. Aber er hatte noch Glück im Unglück, denn er hatte noch drei Dinge: Brot, Wasser und einen hellen Verstand.

Der einzige, der ihn täglich besuchte war ein Zivildienstleistender, der vor kurzem von seiner Sozialstation abbeordert wurde, Mobilen Sozialen Hilfsdienst zu leisten, weil er in in der mobilen Krankenpflege drei Autos zu Schrott gefahren hat.

Es war mal im Leben dieses Mannes alles anders, denn so alt war er noch gar nicht, vielleicht zählte er 50 Lenzen, aber er sah alt und abgekämpft aus. Was ihm fehlte, war seine Perle, der Gipfel seines Lebens, der große Traum seines Lebens. Er wusste es zu genau - sein irdisches Leben war nur noch ein kurzes Zucken der Ewigkeit.

In seinem Leben ging es nie um Kategorien wie häßlich oder schön, als Künstler erschuf er Dinge, die mit Leben erfüllt waren. Doch das Schicksal führte ihn zum Abgrund, vor dem er jetzt stand, alleine und mutlos wie ein kleines Kind, das man im Stich gelassen hatte.

Das jahrelange Verweilen in seinem kleinem ärmlichen Zimmer hatte einen seelischen Dekubitus verursacht, der ihn fast zu einer Neurose gebracht hatte. An welcher Stelle hatte er den falschen Weg eingeschlagen, wo hatte er sich und die Seinen vernachlässigt ? Wo war seine Kunst, die ihm täglich Sicherheit und Trost spendet? Wer war jetzt sein Spiegel in seiner Einsamkeit ?

Damals haben sich alle Dinge auf natürliche Art ergeben, selbst die wildesten Orgien mit Whiskey, Haschisch, Sex und Kokain. Dieser Vergleich der schlimmen Gegenwart mit der goldenen Vergangheit klingt banal, aber damals war jeder Moment anders ... jetzt lebte er in einem ewig andauernden monotonen Zustand, ohne Abwechslung.

In seinem Kämmerchen nahm er nicht den Duft der Rosen wahr, kein Lichtstrahl drang zu ihm vor , der ihn wärmte. das Rascheln der Bäume, das ihn beruhigen konnte. All das wusste er, wie schlimm es um ihn stand. Aber er hatte noch einen kleinen schwachen Funken in sich, das spürte er deutlich, der ihn wieder zu alter Schaffenskraft leiten konnte. Ein Funke, der ihm wieder zu der Kraft und Phantasie führen konnte, die ihm immer zu eigen war, mit der er jedem x-beliebigen Objekt Leben einhauchen konnte.

Dieser Funke war seine Erinnerung an seine großen Liebe, die ihm eine kleine feine Kette mit einem Medaillon nach dem dritten Treffen schenkte, das nun sich täglich warm und angenehm in die Furche seiner incisura jugularis legte.

Er wusste es, er konnte wie kein Zweiter das Geheimnis des Lebens, nämlich die Spontanität nutzen. Seine Kunstwerke, seine Marionetten waren alle glücklich, denn er war ein guter Puppenspieler und Künstler. So ersann er eine Geschichte, eine Geschichte über einen Strafgefangenen, der eine letzte Chance erhielt: in 400km Höhe in einer Gefängniszelle Mutter Erde zu umkreisen, um schließlich nach einer Gerichtsentscheidung endgültig in den unendlichen Orbit geschossen zu werden und wieder auf die Erde zurückkehren zu dürfen. Das sollte der Moment werden, in der er wie ein Bodenturner an einem schwarzen Punkt gelangt, wo er für kurze Zeit keine Orientierung haben sollte.

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