Sonntag, 10. Februar 2008

"Der Justizskandal von Worms"

Verdacht Kindesmissbrauch

Archiv Es war ein Tiefpunkt der bundesdeutschen Rechtsgeschichte: Ein Prozess in Worms ruinierte das Leben der Angeklagten, zerstörte Familien, nahm den Eltern ihre Kinder und den Kindern ihre Eltern. Welches Unrecht der Rechtsstaat anrichten kann, wenn seine Organe mit einem falschen Verdacht nachlässig umgehen, zeigt die Dokumentation von Jutta Pinzler und Dorothea Hohengarten. Was ist aus den freigesprochenen Angeklagten von Worms geworden? 25 Erwachsene wurden 1997 von der Anklage des Kindesmissbrauchs freigesprochen. Das Ergebnis ist skandalös: schlampige Ermittlungen, Vorverurteilung und Verfahrensfehler.

Trotz der Freisprüche durften Eltern ihre Kinder jahrelang nicht sehen, andere bekamen sie bis heute nicht zurück. 1994 / 95: Vor dem Mainzer Landgericht sind 25 Menschen angeklagt, 16 Kinder missbraucht oder Beihilfe dazu geleistet zu haben. Viele von ihnen werden für mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft genommen. Die Beweislage scheint dicht. Ärzte bestätigen, dass die Kinder missbraucht wurden. Psychologische Gutachter dokumentieren Aussagen von Kindern, die auf grausame Erlebnisse hindeuten.

Doch als die Gerichte anfangen, mit Hilfe von weiteren Experten Akten und Zeugenaussagen zu bewerten, stellt sich heraus, dass viele der vermeintlichen Beweise unhaltbar sind. Ärzte haben vorschnell auf Missbrauch geschlossen, Kinder sind offenbar massiv beeinflusst worden. Das Gericht braucht über zwei Jahre, bis die Anklage fällt. Alle Beschuldigten werden freigesprochen - ein Teil von ihnen aus erwiesener Unschuld, ein Teil aus Mangel an Beweisen.

Einer der Angeklagten wandert aus, nachdem er durch den Prozess Vater, Ehefrau und Existenz verloren hatte. Ein anderer ist nach zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis ein gebrochener Mann. Bis heute plagen ihn Albträume. Seine Tochter, die ihm damals weggenommen wurde, hat er nie wieder gesehen. Einer Mutter, die nie angeklagt war, wird das Sorgerecht entzogen. Viele Kinder kommen für Jahre in ein Heim. (Arte, 22:45)

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