Dienstag, 23. Juni 2009

Liebes Tagebuch,

Heute war ein rabenschwarzer Tag mit kleinen Lichtblicken.

Der Tag fing so gut an: wie immer in den Frühlings- und Sommertagen zwischen 6 und 6:30 aufgestanden, wie immer schön Müsli mit Kakao gegessen, wiki und Zeitung gelesen ! Denke mir: heute gehst du vor 10h zur AR.GE, damit es nicht wieder Ärger mit der Eingangs-Info-Theke gibt ... gehe hin, kurze Anmeldung, entschuldige mich sogar bei der Dame für meine Verärgerung vom letzten Freitag. Sie quittiert es mit einem Lächeln. Gehe hoch, setze mich vor Aufregung im falschen Wartesaal, werde aber darauf aufmerksam gemacht. Komme im richtigen Warteflur relativ schnell dran.

Im Büro sitzt eine Frau und ein Mann, der nichts sagt, aber mit seinen sehr großen Bizeps mir signalisiert:"Ruhig bleiben, hier macht keiner Ärger". Wahrscheinlich ist er ein angehender Beamter, der eingearbeitet wird. Sie informiert mich über meine Rechte und Pflichten, insgesamt ein gutes Gespräch, aber sie lässt doch sehr deutlich durchklingen: "Es gibt genug Sozialschmarotzer, hoffentlich bemühen Sie sich ernsthaft um eine Stelle, damit wir keine Sozialleistungen abtreten müssen". Dann bekomme ich noch eine Belehrung vor die Nase gehalten, die ich durchlesen und danach unterschreiben soll, derweil sie weitere Einträge macht.

Mit einem Edding bewaffnet, markiere ich alle relevanten Stellen, um eventuelle Fragen stellen. Es ergeben sich aber keine, weil das Schreiben sehr lang und in ziemlich kleiner Schrift geschrieben ist. Danach gibt sie mir noch zwei Stellengangebote:
  • Sanierungsbetrieb
  • Erntehelfer in Baesweiler für 5-6 Euro Brutto die Stunde
Auch solle ich 8 Bewerbungen pro Monat schreiben. Sollte ich nichts bekommen, dann kann ich noch zwei Facharbeiter bemühen, die dann letztendlich mir meine Sozialleistung bewilligen können. Gehe also nach Hause, um sofort diese zwei Stellen anzuschreiben + anderweitige Stellenangebote zu suchen. Gehe schnell noch zu meinem Briefkasten und fische einen Brief von der Sparkasse heraus => mich trifft der Hammer des Thor, und Blitze von Zeus versengen meinen Verstand:

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Pfändungsbetrag: 459,71 Euro
Pfändungsgläubiger: Vodafone D2 GmbH
Aktenzeichen: ...
Gerichtszeichen: ...

Sofort weiß ich, worum es geht - die Geschichte vom April letzten Jahres will einfach kein Ende nehmen, nachdem ein unbekannter Täter während eines Fußballspiels in Pannesheide in der Schiri-Kabine meine gesamten Papiere (Personalausweis, EC-Karte, Biblio-Ausweis, Studentenausweis, Geld, etc.) geklaut hat. In der Halbzeitspause konnte ich gerade noch sehen, wie ein junger Kerl aus der Kabine geflüchtet ist, leider konnte ich bei der Polizei bei der Ansicht von Personalbildern, den Täter nicht wiedererkennen.

Nicht nur, dass die Wiederbeschaffung der Papiere Geld und Zeit kostet, und der Verein sich von aller Schuld freispricht: wir sollen als Schiri doch dafür Sorge tragen, dass die Schiri-Kabine abgeschlossen wird (na, könnnen vor Lachen, wenn vor mir ein anderer Schiri sein Spiel beendet, und nachdem ich das nächste Spiel im Turnier leite, er die Schirikabine betritt und wieder verlässt) ... nein, im Laufe der Zeit (auch noch Klausurphase, besonders gut für die Nerven) kam auch eine Rechnung nach der anderen an:
  • 4 O2-Handy-Verträge
  • 3 D2-Handy-Verträge
Die Polizei hatte mittlerweile auch die Suche eingestellt, und teilte mir mit, dass es ausreicht, den Versicherungen etc. einfach das polizeiliche Aktenzeichen telefonisch durchzugeben. Dieses habe ich gemacht: O2 hat zwar meinen regulären Vertrag gekündigt, aber immer noch besser, was Vodafone D2 gemacht hat, die blieben nämlich hartnäckig. Eine Mahnung nach der anderen, und mit keinem Wort wurde in dem Schreiben erwähnt, dass ich mich telefonisch gemeldet und gebeten habe, den ganzen Vorgang auch im Computer zu speichern. Der Mitarbeiter an der anderen Leitung sagte, er habe alles eingetragen.

Dies ist also mein Fehler, dass ich von Anfang an, kein Schreiben gesendet habe, sondern darauf vertraut habe, dass zweimalige Anrufe + Durchgabe des Aktenzeichens der Polizei + detaillierte Beschreibungen ausreichen => das ist ein Fehler (Teutone hat mich vorgewarnt) !

Trotzdem sagt der gesunde Menschenverstand: was soll ein Student mit 7 Nummern anfangen neben seiner regulären Handynummer ??? Doch diesen Gedankengang kann ein Konzern wie Vodafone-D2 nicht entwickeln oder nachgehen, Hauptsache die Kasse stimmt !

Beim Durchlesen des Briefs von der Sparkasse wird mir immer schwärzer vor Augen:

Sehr geehrter Herr xyz,

durch die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen sind wir gesetzlich verpflichtet, Ihre hier im Hause unterhaltenen Girokonten, Guthaben aus Spareinlagen sowie in unserem Hause verwahrte Wertpapiere bzw. Wertpapierdepot für sämtliche Verfügungen zu sperren.

Die hier vorliegende Pfändung stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der bestehenden Geschäftsverbindung dar. Insbesondere bezogen auf von der Pfändung erfasste Girokonten kann dies unter anderem bedeuten:
  • Lastschriften zurückgeben werden (auch für hier im Hause gegebenfalls bestehende Darlehen)
  • vorgelegte Schecks nicht eingelöst werden,
  • Überweisungsaufträge nicht ausgeführt werden
  • erteilte Daueraufträge für den Pfändungszeitraum nicht ausgeführt werden,
  • Verfügungen mit der Sparkassencard am Geldautomaten nicht mehr möglich sind,
  • eingeräumte Kreditlinien nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wenn sie Einwendungen gegen die Vollstreckungsmaßnahmen haben, setzen Sie bitte kurzfristig mit dem hierfür zuständigen Vollstreckungsgericht bzw. der Vollstreckungsbehörde oder mit dem Pfändungsgläubiger in Verbindung.

(das klingt wie Hohn: dem Schreiben kann man nicht entnehmen, wer, wo und wann diese Sperrung durchgesetzt hat)

weiter heißt es:

Wir sind nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 836 ZPO) als Drittschuldnerin gehalten, die Pfändungsmaßnahme unabhängig davon zu beachten, ob sie zu Recht ergangen ist. Zu einer Prüfung der Pfändungsmaßnahmen sind wir nicht berechtigt.

Erst eine Entscheidung des Gerichts bzw. der zuständigen Vollstreckungsbehörde (z.B. Finaz

Erst eine Entscheidung des Gerichts bzw. der zuständigen Vollstreckungsbehörde (z.B. Finanzamt) über die Aufhebung oder Einschränkung der Pfändungier oder eine Mitteilung des Pfändungsgläubigers, dass die Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben wird, gibt uns die Möglichkeit, Sie wieder über Ihre Konten verfügen zu lassen. Selbst wenn die hier eingehenden Lohn- oder Gehaltszahlungen bereits um den pfändbaren Betrag gekürzt sind, bedarf es einer Vollstreckungsschutzentscheidung durch das Gericht bzw. der Vollstreckungsbehörde (§ 850 ki ZPO).

Einer solchen Entscheidung bedarf es lediglich dann nicht, wenn Sie innerhalb von 7 Tagen ab Buchungstag über Sozialleistungen (z.B. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und -hilfe, staatliches Kindergeld u.a.) verfügen wollen und mit geeigneten Belegen nachweisen, dass es sich um solche Leistungen handelt.

Sollten innerhalb von 2 Wochen nach Eingang der Pfändung bei uns, solche Entscheidungen oder eine Rücknahme der Pfändung nicht vorliegen, müssen wir fällige Guthaben an den Pfändungsgläubiger überweisen (§ 835 ZPO). Sollten Sie uns gegenüber bereits vor Zustellung der Pfändung mit fälligen Leistungen (z.B. rückständigen Darlehensraten oder Kontoüberziehung) in Verzug gewesen sein, erklären wir hiermit die Aufrechnung.

Wegen der dargelegten, weitreichenden Beeinträchtigungen und Folgen der vorliegenden Pfändung empfehlen wir dringend, für sofortige Aufhebung Vollstreckungsmaßnahme Sorge zu tragen.

Als Kostenersatz für die Erstellung und Versendung dieses Schreibens berechnen wir einen Betrag von 4,00 Euro, den wir Ihrem Konto belastet haben. (... so etwas nennt man auf jemanden eintreten und nachtreten, wenn er schon verletzt am Boden liegt ...)

Mit freundlichen Grüßen
Sparkasse Aachen

Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig

***

Liebes Tagebuch, du kannst dir also vorstellen, dass nach einem solchen Schreiben, mir die drei Semester Recht (Zivilrecht, Europarecht, Abfallrecht) ziemlich sinnlos vorkamen. So ein Schreiben mag für Juristen gang und gäbe und auch rechtens sein. Für den kleinen Bürger ist es der Anfang auf dem Weg zur Bankrotterklärung eines Rechtsstaats:
  • hier wird nicht mal die Unschuldsvermutung in Betracht gezogen
  • selbst wenn ich die 7 Handynummern in betrügerischer Weise erworben hätte, so ist die Strafe unverhältnismäßig: ein Konzern kann 450 Euro verkraften ... ein Mensch, der ohnehin wenig Bargeld besitzt, in meinem Fall waren es 10Euro im Portemonnaie, ist auf die Auszahlung von der Bank angewiesen, um sein tägliches Auskommen zu bestreiten
  • werden nicht mal Daueraufträge zugelassen, so kann auch die Miete nicht mehr bezahlt werden, und der Rausschmiss auf die Straße ist nicht abwegig (Vgl. Rausschmiss aus der Krankenkasse)
  • Teufelskreislauf: keine Wohnung => kein Job; kein Job => keine Wohnung !
... also gehe ich zur Sparkasse, um mich zu vergewisssern. Die Bankangestellte bestätigt mir all die Aussagen des Schreiben, sie könne aber nichts für mich machen. Zum Glück kann sie mir sagen, dass ich zum Amtsgericht gehen muss, um diese Angelegenheit zu klären. Ich fahre schnell zum Adalbertsteinweg zum neuen Justizzentrum, leider hat das Amtsgericht schon um 12h zu, soll morgen noch mal vorbeikommen (...Maßnahmen am Eingang: Eintritt bei Grün, Durchleuchtung ... am Ausgang, sehr interessant: man tritt in eine kleine Schleuse, die hintere Glastür schließt sich, man steht für einen kurzen Moment in einem Glasgefängnis, danach öffnet sich die vordere Glastür, und man kann wieder ins Freie gelangen ...)

Es folgt Mensa-Essen + Gespräch mit einem 24-jährigen Russen mit einem sehr guten Zeugnisabschluss ... kam vor 4 Jahren von Moskau nach Deutschland, Eltern handelten mit Antiquitätenladen, jetzt läuft das Geschäft schlecht ... Eltern wollen in Deutschland bleiben, er will aber nach Moskau zurück ... sagt, er leidet seit geraumer Zeit an einer Depression, die man äußerlich durch einen Hautausschlag erkennen kann : ... in Russland hätte ich Null Chancen, solche Geschichten wie mit der Pfändung rechtlich zu regeln no chance in einer solchen Diktatur !

Begegne jede Menge Menschen, so auch dem Chef, der mir empfiehlt, mal zum D2-Shop zu gehen ... gesagt, getan ... werde freundlich begrüßt: dich kenne ich doch, du warst doch letzte Woche bei uns => nein, das war mein Zwillingsbruder ! ... der Sachverhalt wird schnell geklärt, soll das Schreiben der Polizei mitbringen + schriftliche persönliche Erklärung ... gehe nach Hause, finde die notwendigen Papiere + setze Schreiben auf ... thx CT, dass der Drucker funktioniert ... gehe zurück und erfahre dann den ersten Lichtblick des Tages:

Der Verkäufer faxt das Schreiben an die Hauptgeschäftsstelle und will genau wissen, wie es damals zum Diebstahl kam ... ich wundere mich ein wenig über diese Wissbegier, bis er sagt: "Ich treffe mich heute noch mit einem Polizeibeamten. Wir vermuten, dass eine ehemalige Mitarbeiterin, die nicht mehr bei uns arbeitet, unter Umständen mit Helfern dubiose Geschäfte gemacht hat. Sie hat wahrscheinlich mit Leuten zusammengearbeitet, die mit gestohlenen Personalausweisen in das Geschäft gekommen sind und Verträge auf fremden Namen abgeschlossen haben."

Ich: "Heißt das, dass ich nicht der einzige Geschädigte bin ?"
  • Er: "Richtig, es sind auch andere, die auf diese Art und Weise betrogen und geschädigt worden sind !"
... ich soll am Freitag wiederkommen und schauen, was die weiteren verwaltungstechnischen Maßnahmen von Vodafone D2 ergebeben haben ...


Fazit:
Man kann und darf im Leben Fehler machen, doch was sich die Gesetzgebung im Zusammenspiel mit den Banken erlauben, die von unserem Geld leben und wirtschaften, das ist gesellschaftsschädigend !

"Frontal 21": Banken erhalten großzügige Rettungspakete vom Staat und somit von jedem einzelnen Steuerzahler, doch gleichzeitig
  • beharren sie mit eiserner Faust auf die Rückzahlungen von Krediten,
  • verkaufen weiterhin hochriskante Papiere,
  • die eigenen Mitarbeiter werden geradezu gezwungen, weiterhin die Kunden (=Steuerzahler) wie schlachtreife Gänse zu rupfen
... seit dem Rausschmiss aus der AOK und dem jetzigen Erlebnis, wird es für mich persönlich immer schwieriger, überhaupt noch Vertrauen in große Institutionen zu investieren (Banken, Konzerne aller Art, Krankenkassen u.ä.) ... man wird einfach müde davon, Spielball von Kräften und Institutionen zu sein, die eigentlich zur positiven Entwicklung der Gesellschaft beitragen sollten ... stattdessen scheint der Mensch nur noch geboren und zu existieren, um Kapitalsystemen, Banken und Konzernen dienlich zu sein: weder die Legislative noch die Judikative und erst recht nicht die Exekutive schützen einen vor Willkür und überzogenen Sanktionen, die sogar eine persönliche Lebengrundlage gefährden können ... ich kann immer besser nachvollziehen, dass viele Bürger sich angewidert ob dieser gängigen Praktiken abwenden, manche sogar aus der Gesellschaft aussteigen, dass sehr viele passiv werden und sich zu Recht fragen: wen sollen und können wir überhaupt noch wählen, damit wenigsten ein bisschen mehr Fairness und Schutz von Grundrechten gewährleistet ist ?!

Der Sündenfall ist nicht nur eine theologische allegorische Umschreibung für die Triebhaftigkeit und Maßlosigkeit des Menschen. Er ist auch ein hochaktuelles Verhalten von Instutionen und Systemen geworden, die nicht das Wohl und die Gesundheit des Individuums im Blickfeld haben, sondern einfach den Profit. Die meisten Menschen, die in und für solche Systeme arbeiten, werden immer mehr zu willenlosen Handlangern, egal ob sie es wollen oder nicht ! Den Profit streichen diejenigen ein, die es bis in die höchsten Positionen geschafft haben.

Ob sie glücklich damit werden, dass der Rest in Mangelsituationen gerät, steht auf einem anderen Blatt Papier !

Vermutung: in Deutschland wird nach wie vor Täterschutz vor Opferschutz betrieben !

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen