Sonntag, 8. November 2009

9. Die Beeinflussung der Reifung durch die Sexualität

Das ganze Leben hindurch gibt es Reifung und Entwicklung. Einer der wichtigsten Faktoren, der das ganze Leben hindurch Reifung und Entwicklung beeinflusst, ist die Sexualität.

Unter Sexualität verstehen wir sowohl die angeborene geschlechtliche Zeugungsfähigkeit des Menschen wie die dem Geschlechtsverkehr dienenden Verhaltensweisen und Bedürfnisse. Diese gehören zu einer bestimmten Gruppe angeborener Verhaltensweisen, die man Instinkte nennt.

Das Wort Instinkt wird gebraucht zur Bezeichnung von Reaktionen, die auf bestimmte Reize hin regelmäßig und in relativ unveränderlicher Form erfolgen, und zwar so, dass sie gleichsam als Kettenreaktion ablaufen. Beim Menschen kann man allerdings kaum von Instinkten in jenem strengeren Sinn sprechen, in dem der Ausdruck auf tierisches Verhalten angewandt wird. Denn beim Menschen sind die Instinkte weitgehend aufgelöst, und es bestehen nur rudimentäre Überreste angeborener Verhaltensweisen.

Das Saugen des Neugeborenen zum Beispiel ist ein relativ reines instinktives Verhalten, eine Kette von Reflexen: Mundöffnen, Zungen- und Schluckbewegungen. Die Reaktion kann sogar schon im dreimonatigen Fötus ausgelöst werden, und beim Neugeborenen tritt sie anfangs bei allen möglichen Reizen auf, als wolle der kleine Mensch keine Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme ungenutzt lassen.

Die Reflexe und angeborenen Verhaltensweisen, die der komplizierten Apparatur der menschlichen Sexualität zugeordnet sind, können den verschiedensten Veränderungen und Störungen unterworfen sein. Trotzdem kann man bei der Entwicklung der Sexualität von Reifung sprechen, insoweit die Abfolge von Phasen in Frage kommt. Diese Phasen sind:
  • die Zeit vor der Zeugungsfähigkeit;
  • dann die Pubertät oder Reifung zur Zeugungsfähigkeit;
  • die Phase der reifen Zeugungsfähigkeit;
  • das Klimakterium oder die Periode des Verlustes der Zeugungsfähigkeit
und schließlich
  • die Periode nach dem Verlust der Zeugungsfähigkeit.
Man sollte annehmen, dass die Entwicklung der Sexualbedürfnisse dem Auf- und Abbau der Zeugungsfähigkeit parallel läuft. Weil jedoch die Sexualbedürfnisse des Menschen weitgehend losgelöst von der Aktivität des Zeugungsapparates auftreten, gibt es keinen natürlichen Rhythmus und keine Zwangsläufigkeit im Auftreten dieses Triebes oder - vielleicht besser ausgedrückt - dieser sehr komplizierten Bedürfnisse.

Es gibt zwar auch beim Sexualtrieb eine Sequenz von Verhaltensweisen, doch ist deren Manifestation in Zeit und Charakter weitgehend von den verschiedensten Einflüssen abhängig, mit anderen Worten: Beim menschlichen Sexualtrieb spielen psychologische Faktoren eine größere Rolle als biologische. Deshalb soll über die Sexualität erst später im Zusammenhang der psychologischen Entwicklung gesprochen werden.

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