Montag, 4. Januar 2010

... früher, in den guten Zeiten, als ich noch den Wagen von meinem "Alten" regelmäßig auf Anfrage bekommen habe, habe ich so oft wie möglich Anhalter mitgenommen, egal ob sie den Daumen rausgehalten haben oder nicht ... ein paar von ihnen sehe ich noch ganz deutlich vor mir im Kopf:
  • ehemaliger Polizist, der durch eine Scheidung ganz unten angelangt war,
  • ein Neo-Nazi, dessen Anzahl von Schuh-Schnürringen ich genau gezählt habe, weil mein verstorbener Bruder (damals für eine gewisse Phase Sharp-Skin) mich darauf aufmerksam gemacht hat, wie man durch solche äußerliche Kleinigkeiten auf Gruppierungen zurückschließen kann,
  • eine Junkie-Frau, fast zahnlos und total heruntergekommen,
  • Backpacker, Schüler, Tramper ... und sehr viele mehr !
... als Gegenleistung gab es ehrliche Gespräche unter vier Augen, man wusste ja voneinander, dass man sich nicht mehr wiedertreffen würde ! An einen kann ich mich ebenfalls noch sehr sehr gut erinnern, bezüglich gesunder Lebensweise ! Die Zivildienstzeit war beendet, wir fahren von A nach B, er fragt ob ich er rauchen dürfe, bietet mir auch eine an. Damals, schätzungsweise bis zum 21. Lebensjahr war ich Nichtraucher !

Er: "Darf ich hier eine rauchen ?"
  • Ich: "Selbstverständlich !"
"Auch eine ?"
  • "Nee, vielen Dank, ist gesundheitsschädlich (... das waren noch Zeiten, wo man "clean" war ... reicht aber, wenn twin "drogenfrei" durch das Leben zieht, dann hat man Zeit seines Lebens immer ein gutes Gegenbeispiel vor sich ;-)
"Stimmt schon, aber man gönnt sich ja sonst nichts !"

... das war also der erste Gedanken-Ball, der mir zugeworfen worden ist: "Rauchen" im Zusammhang mit "man gönnt sich ja sonst nichts !"
  • "Verstehe ich nicht so ganz: durch Rauchen zerstört man alles, und wenn man erst mal krank ist, kann man sich doch gar nichts mehr gönnen !"
"Was meinen Sie genau damit ?"
  • "Kannst ruhig Du zu mir sagen ! Ich meine: "Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts !"
... an den Blick kann ich mich auch noch auch noch sehr gut erinnern, der sagte mir nämlich: "Noch so jung und schon ein Moralapostel !"

"Hast irgendwo recht, aber ich glaube mit meinen 50 Jahren weiß ich so allmählich, wie ich mich verhalten soll !"

... da war ich aber echt mal gespannt, wie er mir diesen Sachverhalt erklären wollte, denn von zu Hause wusste ich durch "Lernen am Modell", Lesen von "Theorie" und eigener Praxis was Gesundheit bedeutet ... !

"Weißt Du, mir ist schon klar, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, aber ich bin ein denkender Mensch: ich halte mein schädliches Verhalten in Grenzen !"

... das war also der zweite Gedankengang: "Schädliches Verhalten in Grenzen halten ?!" ... wie soll das bitteschön funktionieren ... ?
  • "Sehr interessant, und wie willst du dein schädliches Verhalten langfristig in Grenzen halten ?"
"Indem ich all meine Aktivitäten von früher, als ich noch so jung war wie du, so gut es geht beibehalte !"

... und dann hat er mir alles aufgezählt, was er alles als Jugendlicher gemacht, und was er davon alles beibehalten hat, von Kleinigkeiten wie
  • Liegestütze,
  • Sit-ups,
  • Klimbzüge,
  • Dehnübungen,
  • Aerobic (=ist mir persönlich zu anstrengend, werde schon vom Zuschauen müde)
  • Schwimmen
bis größere Aktivitäten in einem Sportverein:
  • bei ihm war es Tischtennis.
Damals kam mir das alles so selbstverständlich vor, jetzt muss ich im Nachhinein diesem unbekannten Anhalter Respekt zollen, der sich über all die Jahrzehnte fit gehalten hat ... es hat sich nämlich herausgestellt, dass er ein Sport-As war, der eigentlich Berufs-Surfer werden wollte. Er hatte schon alle bekannten Surf-Paradiese dieser Welt abgeklappert, Eltern waren wohl nicht gerade die Ärmsten ! Allerdings haben ihn private und familiäre Probleme aus der Bahn geworfen, so dass er dann doch schließlich eine Schlosser-Ausbildung gemacht hat, von der er sich und seine langjährige Freundin bescheiden aber sicher ernähren konnten (ist mittlerweile anders: beide müssen arbeiten gehen, um eine Familie zu gründen und zu halten !)

Darauf habe ich ihn mir dann doch mal von der Seite etwas näher angeschaut - denn Surfen ist nämlich bei mir ein absolutes Reizwort:
  • damals in Jakarta in der "DIS of Jakarta" sind all die Schulkameraden an den Wochenden in den Internationalen Sportclub, zu weit abgelegenen und sauberen Stränden oder sonstwohin gefahren, und haben dort Wasserski, Surfen, Windsegeln usw. gelernt. Und was durften wir bis auf wenige Ausnahmen an den tausenden WE in all den "gottverdammten" und harten Jahren in dem Moloch machen ? => in den Gottesdienst gehen, egal ob bei den Baptisten und Anglikanern, bei den Indonesiern oder Bataks, bei meinem "Alten" oder anderen freikirchlichen Gemeinschaften, sprich spirituellen Bewegungen.
  • Letztere haben mir zum Glück persönlich ab und zu sogar ein wenig Spaß gemacht: "Oh Jesus ... praise the Lord ... you're so good to me ... oh, Holy Ghost: please join me ... wash my sins away ... Amen ... yes, praise the Lord ... give your hand to your sister and brother ... Hallelujah ... oh, you're so right ... God will never forget you ... he always will be on your side ... just feel him ... Amen ;-) ... und dann folgten Verbrüderungsaktionen, die mich an die heutigen Diskotheken zu fortgeschrittener nächtlicher Stunde erinnern mit dem kleinen Unterschied, dass die Kirchen- und Gottesdienstbesucher spiritueller Bewegungen nicht alkoholisiert sind sondern volltrunken durch den "Heiligen Geist" ;-)
... genau, dann habe ich diesen "per Anhalter" genauer betrachtet und stellte fest: okay, hatte genauso wenig Haare auf dem Kopf wie ich jetzt, aber er sah mit seinen 50 Jahren noch richtig frisch und vital aus. Leider war dieses hochinteressante Gespräch nach ca. einer viertel Stunde beendet, weil wir an seinem Zielort angekommen sind. Hätte ich gewusst, dass er als "Älterer" mir noch einige gute Ratschläge, Tipps und Hinweise hätte geben können, ich wäre sicherlich noch in Kontakt mit ihm geblieben. So habe ich leider seine Schilderungen nur noch näherungsweise im Kopf:
  • es ist nur eine Frage, was du an Positivem von Kinder- und Jugendzeit übernimmst !
  • es ist immer ein realistisches Abwägen, was du durch "Passivität" verlierst und durch "Aktivität" gewinnst !
  • er, als ehemaliger superaktiver Sportler, der immer genau auf seinen Körper geachtet hat, war sich seiner veränderten Lebensweise mit all seinen Konsequenzen voll bewusst !
... insgesamt erschien er mir als eine Person, auch wenn diese Thematik mir früher nicht so wichtig erschien wie heute, die genau auf ihren Körper acht gegeben hat, weil es ihr größtes Kapital war ... was mir besonders auffiel und auch nach all den Jahren immer in Erinnerung bleibt, waren seine leuchtenden Augen - irgendwie sehe ich sie, diese Augen immer noch, wie sie mich eindringlich anschauen und trotzdem beruhigend auf mich wirken ...

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