Die Thematik Selbsttötung ist so komplex wie das Leben selbst. Denn wer sich vom Leben durch seine eigene Hand verabschiedet, verabschiedet sich auch von allen Facetten, Qualitäten, Inhalten und Zielsetzungen des Lebens. Also stellt sich für Angehörige, Freunde und Bekannte eines Menschen, der einen vollendeten oder nicht vollendeten Suizid begangen hat als allererstes die Frage nach dem "Warum".
Leider lässt sich diese Frage oft genug nicht zu ihrer Zufriedenheit beantworten, es sei denn, der "freiwillige" Todeskandidat hinterlässt eine Abschiedsbotschaft. Und selbst wenn eine Botschaft hinterlassen worden ist, führt es noch lange nicht zu einer Zufriedenheit der Hinterbliebenen, da sich anschließend die Frage stellt:
- "Wie hätten wir das verhindern können ?".
Geht man von diesem kritischen Ansatz- und Hebelpunkt einer sich selbst reflektierenden Gesellschaft aus, trifft in den allermeisten Fällen den Hinterbliebenen keine alleinige Schuld, da sie selber mit dem "Suizidgefährdeten" in einem komplexen Prozess involviert waren und in einer Gemeinschaft gelebt haben, in dem jeder für sich ein "Suizid" in Anspruch hätte nehmen können.
Man kann sich aber die Frage stellen, ob diejenige Person, die sich vom Leben verabschiedet hat, das schwächste Glied in einem gesellschaftlichen Prozess und in einer Gemeinschaft war. Hier schließt sich der Kreis, da sich die Überlebenden hinterfragen, an welchen Stellen sie hätten eingreifen müssen, um gewisse Defizite ausfüllen
oder in bestimmten Momenten besser mit Rat und Tat hätten helfen
können.
Hier kommen wir der Antwort auf die Frage, inwieweit die Gesellschaft und jeder Einzelne mitverantwortlich für den
"Suizid" seines Nächsten, Verwandten und Mitmenschen ist, schon etwas näher. Jeder muss sich nämlich die Frage stellen, ob er die mentale Stärke, Kraft und Widerstandskraft eines potentiellen oder verschiedenen "Todeskandidaten" überschätzt und überlastet hat:
- "Wurden Zeichen, Anzeichen, Botschaften und Hinweise überhaupt erkannt, und wurden daraus folgerichtige Konsequenzen gezogen ?"
Es gibt Menschen, für die kommt Suizid überhaupt nicht mehr Betracht, da sie in ihrem Lebensprozss mental ausreichend stark und gereift sind und jeden Tag als eine positive Herauforderung sehen trotz aller Widrigkeiten wie finanzielle oder gesundheitliche Schwierigkeiten.
- Es gibt aber auch Menschen, die die Ansammlung von negativen Erfahrungen nicht mehr verarbeiten können, sei es aufgrund ihres jungen Alters, siehe Kinder und Jugendliche, oder weil die Kumulation von niederdrückenden Erlebnissen, die Fähigkeit, sie zu verarbeiten, übersteigt.
In beiden Fällen sind rettende Maßnahmen u.a.
- professionelle Hilfestellung und Therapien,
- staatlich gefördertete Auszeiten und Umorientierung,
- verständnisvolle und umsichtige Mitmenschen, sei es in Form von Familie, Freundeskreis oder Lebenspartner
- Reisen in andere Länder und Regionen, um andere Sitten, Traditionen, Umgangs- und Meditationsformen und Lösungsmöglichkeiten kennenzulernen.
Wenn aber diese "geistigen" und "konkreten" Stützen fehlen oder nicht in Anspruch genommen werden, dann wird ein mentaler Prozess in Gang gesetzt, der gerade in einer Leistungs- und Industriegesellschaft bei einer nicht unwesentlich großen Menschenmenge sehr gut zu beobachten ist:
- Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte nach hinten => tagtäglich, von Woche zu Woche, von Monat bis Monat, von Jahr zu Jahr, bis der Leidensdruck so groß wird, dass der "Freitod" als einziger, erlösender Schritt vollzogen wird.
Eine ehrliche Gesellschaft müsste also den Freitod als eine unausweichliche und zwingende Folge eines entarteten Prozesses betrachten, in der ein Missverhältnis zwischen persönlich gefühltem Leidensdruck und der persönlichen Reife + reel gegebenen Verarbeitungsmöglichkeiten besteht.
- Allein schon die alternativen Bezeichnung wie "Selbstmord", "Freitod", "Suizid" zeigen, dass die Gesellschaft sich schwer tut mit dem Phänomen, aus eigenen Stücken das Geschenk Leben, aus der Hand zu geben.
Sie tut sich deshalb so schwer damit, weil sie die Prinzipien und Kaskaden verkennt, verleugnet oder verharmlost, wie Lebensumstände durch falsch geführte Wirtschaft, Politik und Moralinstitutionen sich ins Gegenteil verkehren:
- Anstatt dem gesellschaftlichen und individuellem Leben Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, wird eine Einengung durch die ständige monotone Forderung nach Expansion, Wachstum, Besitztum und Finanzkraft forciert.
- Anstatt zu schauen, wie man der Natur und natürlichem Lebensstil gerecht wird, wird eine unnatürliche Lebensweise propagiert, in der der Mensch sich an seine eigenen diversen technischen Erfindungen anpassen muss (s. Perversion)
- Anstatt zu schauen, wie man individuelle Fähigkeiten entdeckt und fördert, und die Ausgestaltung der Arbeitswelt sich danach orientiert, werden Systeme errichtet, die eher nach Knechtung als nach Entfaltungsmöglichkeit schreien.
- Ein anderer Teil heißt: Morden und Töten, indem negative Energie sich gegen andere richtet !
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