Samstag, 8. Dezember 2007

Theodor Fontane (1819-1898) Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland


Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit,
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenns Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wist'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb'ne Birn."

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht,
Sangen "Jesus, meine Zuversicht" ,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht.
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtets wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung übern Kirchhof her,
So flüsterts im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüsterts: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.


* der Autor ................................................
geb. am 30.Dezember 1819 in Neuruppin, als Sohn eines Apothekers, er besucht das Gymnasium in Neuruppin und die Gewerbeschule in Berlin, von 1836-1840 absolviert er eine Apothekerlehre in Berlin, 1849 gibt Fontane seinen Apothekerberuf auf und arbeitet mit Unterbrechung bis 1859 als freier Mitarbeiter im Buero eines Ministeriums, von 1855-1859 lebt er in England als Berichterstatter, von 1860 bis 1870 arbeitet er als Redakteur der Berliner "Kreuz-Zeitung", 1870 bis 1889 ist er Theaterkritiker bei der "Vossischen Zeitung", 1876 wird er Sekretaer der Akademie
der Kuenste Berlin und freier Schriftsteller, er stirbt am 20.9.1898 in Berlin.

bei Lyrikmail erstmals veröffentlicht am 15.06.2001
http://lyrikpost.de/blog/index.php/2001/06/15

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