Samstag, 2. Februar 2008

Schultze Gets the Blues

Archiv Schultze fristet seit Jahr und Tag sein Leben in einem kleinen, vom Kalibergbau geprägten, anhaltinischen Ort nahe der Saale. Früh verwitwet verläuft sein Leben in gleichförmigen Bahnen. Ein durch die Arbeit verursachtes Lungenleiden verdrängt er. Die ritualisierte Freizeitgestaltung zwischen Kneipenbesuch, Schrebergarten, Volksmusik und Angeln kommt zu einem vorzeitigen Ende, als er und seine Kumpels Manfred und Jürgen in den Vorruhestand geschickt werden. Während sich diese mehr und mehr dem Nichts ergeben und nur noch mühsam ihre alltägliche Routine aufrecht erhalten können, entdeckt Schultze ein Leben hinter dem Berg.

Zufällig hört Schultze im Radio ein Zydeco-Stückaus den Südstaaten der USA. Er wird den Rhythmus nicht mehr los. Spontan gelingt es dem Hobby-Musiker auch seinem Polka-geschundenen Akkordeon diese rasanten Klänge zu entlocken. Mit seinem ersten öffentlichen Auftritt droht er die Jubiläumsfeier seines Heimatmusikvereins zu sprengen. Bald steht sein Entschluss fest, in die Staaten zu reisen, zur Quelle der Zydeco-Musik. Es folgt eine Odyssee durch Sümpfe und Industrielandschaften, die ihn von einem texanischen Wurstfest zu Freunden in einer neuen musikalischen Heimat führen.

Michael Schorr gelingt es mit seinem humorvollen Spielfilm, sein Thema bei aller Tragik mit großer Leichtigkeit zu erzählen. Dies liegt sicherlich am lakonischen Spiel von Horst Krause, aber auch an der Besetzung zahlreicher Rollen mit Laien. Die nahezu dokumentarischen Milieueinsichten verbinden sich mit satten Cinemascope-Aufnahmen und einer leitmotivischen Musikalität zu einer Geschichte voller Poesie.

Belohnt wurde dieses für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Wagnis mit dem Regiepreis im Wettbewerb Controcorrente beim Filmfestival in Venedig. Er lief erfolgreich auf zahlreichen internationalen Filmfestivals und erhielt weitere Auszeichnungen in Gijón und Stockholm. (ARTE, 22:45)

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