Sonntag, 2. März 2008

Tatsachenentscheidung bei Sturmtief Emma

Das gestrige Spiel werde ich wohl nie vergessen:

Schon auf dem Hinweg habe ich die Befürchtung, dass mein Fahrrad seinen Geist aufgibt, weil der Reifen ständig am Schutzblech scheuert. Am Platz angekommen werde ich sehr freundlich begrüßt, sowohl vom Platzverein als auch von den Betreuern der Gastmannschaft.

Das Spiel gestaltet sich überraschenderweise als unkompliziert, sehr faire Spielweise bei konsequenter Spielleitung meinerseits. Die 1. Halbzeit ist sehr spannend, Loverich geht mit einem "halben" Konter in der gegnerischen Hälfte in Führung, eigentlich eher unspektakulär, ein Arbeitstor halt, aber natürlich immer überraschend, wenn der Gast führt.

Dann bringt der Linksaußen von Munzurspor eine schöne Flanke in den Strafraum. Am langen Pfosten steht sein Mitspieler einschussbereit, und ich wunder mich, warum er den Ball nicht direkt reinschießt. Aber nicht schlecht, er nimmt ihn mit der Brust an, lässt ihn abtropfen und dreht sich geschickt um den Gegner und schießt dann das Tor zum 1:1 . Wunderbar gemacht, die Mitspieler stürzen sich auf ihn: drei bis vier liegen auf ihn drauf und er natürlich auf den nassen Ascheboden.

Die Gäste sind aber unbeeindruckt und spielen ihren Stil weiter und gehen wieder mit einem "halben" Konter in Führung - irgendwie eiskalt und abgebrüht. Dann sage ich zum Ende der 1.Halbzeit die "letzte Aktion" an. Ecke von links für Munzurspor - der Spieler schießt den Ball scharf und mit viel Effet auf das Tor und der Ball ändert seine Richtung - ohne Berührung ist er drin - 2:2. Der Schütze ist hocherfreut, aber der Torwart ist entsetzt und ärgert sich mächtig über sich selber. Ich aber gehe zu ihm hin und sage: "Torwart, dafür kannst du nichts, der Wind hat diesen Ball reingedrückt" - ja, Sturmtief Emma hat an diesem Tag so manche Flugkurve verändert, und man musste gut laufen, um nicht vom starken Wind abgekühlt zu werden. Der Stürmer, der nun sein zweites Tor geschossen hat, läuft auf die Wiese und wälzt sich auf den nassen Rasen und reißt vor Freude sein T-Shirt vom Leib - nun in der Bundesliga erhält er dafür Gelb - bescheuerte Regelung !

In der Pause überprüfe ich die Pässe und sehe zu meinem Erstaunen, dass nicht so viele Kinderfotos in den Spielerpässen eingeklebt sind - schätze die Ermahnung der Fußballausschüsse, aktuelle Fotos zu präsentieren, hat gewirkt.

In der zweiten Halbzeit sind beide Mannschaften hochmotiviert. Diesmal geht aber die Heimmannschaft durch einen schön herausgespielten Pass aus der eigenen Hälfte in Führung, und fortan wird es etwas hektischer. Vorher hat man nach Fouls "Shakehands" gegeben, jetzt raunzt man sich schon etwas giftiger an. Die ein oder andere kleinere Fehlentscheidung trägt auch nicht zur Ruhe bei, so dass ich in den letzten 15 beiden Minuten den beiden Spielführern sage, dass ich Fußball sehen will, ansonsten gibt es Kartengeschenke.

Danach drücken die Gäste auf die Tube und habe noch mindestens drei gute Chancen für den Ausgleich. Aber selbst ein strammer Schuss, nachdem die Verteidigung ausgespielt ist, geht knapp am Tor vorbei - der Gasttrainer und der Betreuer sind restlos bedient und packen schon die Koffer. Ich orientiere mich in der letzten Minute der Nachspielzeit fälschlicherweise in Richtung Mittellinie, weil die angreifende Mannschaft den Ball in der gegnerischen Hälfte verliert, ihn aber zurückerobert. Ich sehen auf der Höhe der Mittellinie, wie ein Schuss gegen die Unterkante knallt, und der Ball vermeintlich hinter der Torlinie wieder ins Feld zurückspringt. Ich entscheide sofort auf Tor, weil mir der Jubel der ausgleichenden der Gäste überzeugend erscheint.

Ich lasse noch mal anstoßen, aber die gesamte Heimmannschaft + Trainer kommt auf mich zugelaufen und protestieren: "Schiri, der Ball war nie hinter der Linie ...usw ... " Es kommt auch der zweifache Torschütze und bittet mich wenigstens den Abdruck anzuschauen ...

Abdruck ? Gütiger Himmel, da können dutzend Abdrücke sein, ich bin doch nicht beim Sandplatztennis ... ich pfeife ab und gehe in Richtung Kabine ... "Schiri, schau doch mal wenigstens nach, da ist eine Pfütze, da ist der Ball reingelandet und die Pfütze ist vor der Torlinie" ... also schaue ich noch mal, damit die liebe Seele Ruhe hat, und tatsächlich, eine Riesenpfütze deren dem Tor zugewandte Seite ca. 15-30 vor der Torlinie liegt ... aber zu meinem Verdruss habe ich sie vom Weiten nicht gesehen ... ich bleibe trotzdem bei meiner Entscheidung, denn sie war eine Tatsachenentscheidung ... aber die Diskussionen brechen nicht ab ... Soll ich die Entscheidung zurücknehmen, damit ich nicht wie Merk, eine Mannschaft um ihren verdienten Sieg bringe !?

Soviel ich weiß, darf man seine Entscheidung nicht zurücknehmen ... aber wir befinden uns nach Ende des Spiels, wo keine weiteren Spielszenen das Ergebnis beeinflussen können ... es heißt nur noch 3:3 oder 3:2 ... da schießt mir ein Gedanke durch den Kopf ... Ehrlichkeit kann ich von den Spielern nicht erwarten, aber vielleicht ist der Trainer zu einer halbwegs ehrlichen Aussage bereit ... ich weiß auch, dass dieser seine Jungens nicht in die Pfanne hauen wird ... also muss ich ihn so fragen, dass ich zwischen den Zeilen lesen kann ... ich nehme ihn also beiseite, gehe mit ihm ein paar Schritte von all den anderen weg, und weise Hinzukommende zurecht, dass ich mit ihm in Ruhe will ...

"Trainer, Hand auf´s Herz, wo ist der Ball nach dem Abprallen von der Unterkante gelandet - in die Pfütze ?" Ich weiß, dass er mir nicht die volle Wahrheit sagen kann, aber mir genügt die Art und Weise, wie er darauf antwortet: "Ich weiß es nicht genau, ich konnte es nicht so genau sehen, aber ich meine schon." Er war schon ein bisschen verlegen, was ich gut nachvollziehen kann.

Da aber alle Spieler des Heimvereins darauf insistieren, dass der Ball in die Wasserlache gelandet ist, und der Gastrainer es nicht vehement bestritten hat, nehme ich meine ursprüngliche Entscheidung zurück und sage in der Menge wieder angekommen: 3:2 - da bricht doch ein Jubel aus, die paar Zuschauer und Freundinnen der Spieler freuen sich, und die Gastmannschaft fängt natürlich ihrerseits an, zu protestieren ... ich gehe daraufhin in die Schirikabine, um den Spielbericht auszufüllen ... zum Glück kommt dann der Betreuer der Gastmannschaft in die Kabine nach und sagt: "Ich bin zwar nicht ganz einverstanden, aber wir waren so schlecht, wir hätten den Ausgleich sowieso nicht verdient gehabt ... füll schnell aus, damit da draußen keine Rangeleien entstehen !"

Wir quatschen noch ein bisschen, ich fülle aus, habe noch ein bisschen Gemüter zu beruhigen, und lasse mich selber noch ein bisschen in dem ein oder anderen Punkt belehren und gehe wieder raus ... und siehe da, fast alle Spieler sind weg ... es herrscht eine friedliche Stimmung auf dem Vorplatz der Fußballanlage ... im Vereinshäuschen noch einen warmen Tee getrunken und dann ab nach Hause mit dem Klapperfahrrad...

Und welch Überraschung ... auf dem Weg zu einem Kumpel treffe ich am Hansemannplatz den Torwart und einen Feldspieler der Heimmannschaft ... und dort bekomme ich eine zufriedenstellende Antwort, warum ich im ersten Moment geglaubt habe, der Ball sei hinter der Linie gewesen: der gegnerische Spieler schießt aus nächster Nähe im Torwartraum auf´s Tor => der Ball prallt zurück ins Feld in die Pfütze => er registriert, dass der Ball nicht hinter der Linie gelandet ist, ärgert sich und bekommt den Abpraller nicht und schießt wieder daneben ... er sieht aber, dass seine Mitspieler jubeln, dreht ab und hält selber jubelnd seine Arme in die Höhe => dies und der Eindruck, der Ball sei hinter die Linie gelandet, hat mich veranlasst auf Tor zu entscheiden !

Fazit: Entscheidungen zurückzunehmen, wird im Schiriwesen nicht gerne gesehen, aber es gibt Situationen, da ist man auf die Ehrlichkeit der Spieler angewesen ... und wenn man meint, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben, sollte man auch dem Schiedsrichter die Möglichkeit geben, sie nach bestem Gewissen zu korrigieren ! Wie das auszusehen hat, darüber wird ja ständig im Schiriwesen gestritten, siehe Videobeweis etc !

Eins ist klar: ich werde keine Karriere in meiner Schiedsrichterlaufbahn machen, ich bleibe gerne an der Basis und habe dafür ein bisschen mehr Spielraum !

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