Donnerstag, 26. Februar 2009

"Keiner will es gewesen sein"

C: " Bevor sich unsere Wege trennen, würde ich gerne noch eins von Ihnen wissen wollen: Sie waren doch auch noch bis zum Schluss dabei?"
  • Ing.: "Was meinen Sie damit?"
C: "Sie waren einer der letzten Ingenieure, die in Alaska in einem der gigantischen Industrieanlagen Erdölschiefer und -sand abgebaut haben ?"
  • Ing: "Sie verwechseln da etwa. In Alaska habe ich auch schon gearbeitet, Sie meinen aber die Ölraffinerie Syncrude in Kanada ! Das ist richtig, dort habe ich noch bis zu meiner Pension gearbeitet. Kurz danach wurde diese Anlage geschlossen."
C: "Warum, und was war Ihre Aufgabe ?"
  • Ing: "Nun, die Erdölgesellschaft hat das Maximum an Ausbeute rausgeholt. Ich habe zusammen mit anderen Ingenieuren besonders aus den Bereichen der Chemie und der Verfahrenstechnik für "die Verarbeitung des Ölsands" gearbeitet. Dabei stand besonders das Ziel, die Verfahren zu "optimieren und sauberer" zu machen im Vordergrund"
C: "Und haben Sie ihr Ziel erreicht ?"
  • Ing: "Sicherlich, man tut was man kann."
C: "Es heißt, dass die Erdölindustrie den gesamten arktischen und antarktischen Bereich innerhalb von nur knapp einem Jahrzehnt auf Jahrhunderte verseucht hat. Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass die Lebensgrundlage von Fischern, den letzten Bewohnern der "First Nations" und vieler Tiere für immer zerstört ist, Langzeitschäden und Folgewirkungen für unsere Industrienationen nicht mit einberechnet.
  • Ing: "Dazu kann ich leider sehr wenig sagen, da ich seit ein paar Jahren nicht mehr in dieser Gegend gewesen bin. Fakt ist, dass wenn Sie nachts auf der Straße Licht, warmes Wasser oder Produkte aus Kunststoff haben wollen, Sie Umweltverschmutzungen immer in Kauf nehmen müssen. Über das Ausmaß lässt sich diskutieren, da gibt es verschiedene Standpunkte."
C: "Sie waren damals Mitarbeiter von Pilotanlagen für "umweltverträglichere Technologien". Sind Sie im nachhinein zufrieden mit Ihrer Arbeit ?"
  • Ing: "Ja, viele unserer Ergebnisse sind mittlerweile ausgereift und werden woanders für die Exploration aller Restvorkommen genutzt."
C: "Umweltverbände, Indianer und Aktivisten beklagen die Zerstörung von Natur, Flora und Fauna. Besonders die Veränderung von Fischen mit großen Köpfen und kleinen Leibern haben gezeigt, dass man Quecksilber, Arsen und andere Gifte in die Umwelt eingeleitet hat. Können Sie dazu Stellung nehmen ?"
  • Ing: "Ich bin selber darüber entsetzt, was da alles passiert ist. Wir hätten sicherlich mehr zum Umweltschutz beitragen können, wenn wir schon im Vorfeld Gelder für unsere Forschungsarbeit bekommen hätten. Zusätzlich wäre es besser gewesen, den Abbau erst dann zu gestatten, wenn er mit schon vorhandenen Umweltschutzmaßnahmen und -bestimmungen gekoppelt worden wäre. Im Endeffekt waren unsere Arbeiten aber sehr nützlich für nachfolgende Industrieparks."
C: "Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, dass auch Sie zu den Menschen gehören, die in einem Energiekonzern arbeiten, die unsere Umwelt zerstören ?"
  • Ing: "So würde ich das nicht formulieren wollen ! Erstens sind sich die Energiekonzerne ihrer Verantwortung für Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften durchaus bewusst und investieren deshalb in diesen Bereich Millionen von Euros."
C: "Bei gleichzeitigem Milliardengewinn !"
  • Ing: "In welcher Höhe sich das Gewinnvolumen befindet, kann ich als Ingenieur nicht beurteilen. Aber wie mein Chef immer zu sagen pflegt: wir sind nicht das Rote Kreuz, uns wird nichts gespendet, und wir haben auch nichts zu verschenken ! Um mit meiner vorherigen Antwort fortzufahren: zweitens ist der weltweite Hunger nach Energie so groß, dass sie keinem Energiekonzern den Vorwurf machen können, dass er Ihren Bedarf deckt. Wenn Sie schon die Befürchtung haben, dass die Umwelt geschädigt wird, dann müssen Sie schon zu den einzelnen Regierungen gehen, die die Konzessionen an die bestbietenden Betreiber verkaufen. Als normal tätiger Ingenieur habe ich aber auf solchen Entscheidungsebenen wenig Einfluss."
C: "Wie beurteilen Sie das jahrhundertalte Missverhältnis zwischen Abbau von Rohstoffen und effektivem Naturschutz und Erhalt von wertvoller Biomasse."
  • Ing: "Auch über diese Formulierung lässt sich trefflich streiten. Sie werden nie einen zufriedenstellenden Naturschutz erreichen, da jeder ihn anders definiert und jeder verschiedene Vorgaben hat ... hmm ... gleich läuft UEFA-Cup ... hätten Sie und ihr Kamerateam Lust auf ein Bier in die Kneipe mitzukommen, um das Fußballspitzenspiel zu schauen ?"
C: "Sehr gerne, hochbezahlter Profisport lenkt doch ein wenig von den Alltagssorgen ab ... das hat doch einen ähnlichen Charakter wie "Opium für's Volk" ... Sie bezahlen wohl die Runde."
  • Ing.(lacht): "Ich bin zwar kein Leitender Ing. oder Obering., aber dafür müsste mein Geld noch reichen. Und wenn sie es riskieren wollen, essen wir vorher noch einen herrlichen Alaska-Fisch, ich kenne da ein wunderbares Restaurant, direkt um die Ecke."
... die Kamera wird abgeschaltet, die Szene ist im Kasten, die Lichter gehen aus ... leise, fast bedächtig stapfen ein paar Männer hinaus in den weißen Schnee - so weich und weiß wie die Unschuld ...

***

(... in Anlehnung an den Fernsehabend mit Paleto und in Erinnerung an die vielen bezahlten Bierrunden von diversen Ing. und Programmierern ... ;-)

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