Donnerstag, 6. Mai 2010

Plasmabomben lösen Weltraumbeben aus

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Spiegel online

Ein bisher unbekanntes Naturphänomen haben jetzt Forscher aufgespürt: Heftige Sonnenstürme lassen das Erdmagnetfeld beben. Kompassnadeln vibrieren, im Norden leuchten Polarlichter - und für Raumfahrer könnten die Beben gefährlich werden.

Von 

Axel Bojanowski

Kompassnadeln zittern, sie zeigen derzeit nicht zuverlässig nach Norden.
  • Ein gigantisches Beben ist im Gang.
  • Doch nicht der Boden wackelt - das Magnetfeld der Erde vibriert.
"Gerade findet nahe der Erde ein richtig starkes Weltraumbeben statt", sagt Wolfgang Baumjohann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
  • Es sei wohl das stärkste je gemessene Weltraumbeben.
  • "Man kann die Stärke vermutlich mit dem Erdbeben in Haiti im Januar vergleichen."
Erstmals überhaupt berichten Wissenschaftler von Messungen des geheimnisvollen Naturphänomens.
  • "Wir versuchen, den Begriff Weltraumbeben nun zu etablieren", sagt Karl-Heinz Glaßmeier von der Technischen Universität Braunschweig auf der Jahrestagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) in Wien.
Nicht nur das Zittern der Kompassnadel verrät solch ein Ereignis, auch Polarlichter geben einen Hinweis:
  • Elektrische Entladungen lassen den Himmel leuchten, manchmal bis weit nach Süden.
  • Hin und wieder wurden Polarlichter bis nach Mitteleuropa dokumentiert - und im Mittelalter als göttliche Warnung gedeutet.
"Vermutlich waren die Lichter die Folgen von Weltraumbeben", meint Baumjohann.
  • Für Menschen am Boden stellten die Ereignisse kaum eine Gefahr dar.
  • Raumschiffe jedoch, die in solch ein Weltraumbeben gerieten, wären bedroht.


Fünf Satelliten spürten das Phänomen auf

Mit fünf Nasa-Satelliten, die seit 2007 das Erdmagnetfeld vermessen, kamen die Forscher dem Phänomen auf die Spur.
  • Aufgereiht wie an einer Schnur, senkrecht von der Erde ins All, schweben die Sonden des "Themis"-Projekts.
  • Sie haben die kosmischen Erschütterungen des Magnetfelds registriert. 
Das bislang schwerste Weltraumbeben ereignete sich den Satellitenmessungen zufolge am 7. April dieses Jahres.
  • "Es war allerdings wohl etwas schwächer als das derzeit stattfindende", sagt Baumjohann. 
  • Kleinere Beben gebe es hingegen "fast stündlich".
Die Entdeckung hat die Teilnehmer der Wiener Tagung überrascht: "Das ist für uns alle neu", staunt Kalevi Mursula von der Universität Oulu in Finnland, ein Experte für Sonnenwind.

Das Beben im Magnetfeld beginnt mit einem Sonnensturm:
  • Immer wieder schleudert das Zentralgestirn Fackeln elektrisch geladener Teilchen ins All.
Solche Sonnenstürme sind recht gut erforscht:
  • Mit mehr als tausend Kilometern pro Sekunde rasen sie auf die Erde zu.
Trifft der magnetische Strom auf das Magnetfeld der Erde, wird er um den Planeten herumgeleitet.
  • Gigantische Mengen Energie gelangen dabei auf die Nachtseite der Erde, wo sich das Magnetfeld entsprechend auflädt.
  • Der Sonnenwind bläst die Magnetfeldlinien nach hinten, bis sie flattern wie Haare im Wind.
  • "Die Feldlinien werden mit Energie aufgeladen und dabei gespannt wie ein Gummiband", erläutert Evgeny Panov von der ÖAW.
Irgendwann ist der Energieüberschuss zu groß - es bebt: Rund 60.000 Kilometer über der Erde entladen sich die Magnetfeldlinien mit einem Schlag.
  • Ein Plasma-Jet - eine Bombe geladener Teilchen - wird freigesetzt.
  • Erst das innere Magnetfeld der Erde bremst ihn in etwa 30.000 Kilometern Höhe - und bebt bei dem Aufprall wie ein Trampolin.
Das zeigen die Satellitenmessungen der Forscher:
  • Die Feldlinien schwingen Tausende Kilometer hoch und runter.

Plasmabombe auf dem Magnetfeld-Trampolin

Die Plasmabombe wird dabei immer wieder zurück ins All geschleudert, sagt Baumjohann:
  • Zunächst mit etwa tausend Kilometern pro Stunde, dann mit halber Geschwindigkeit, dann mit 360 km/h.
  • "Die Messkurve ähnelt dem Seismogramm von Erdbeben", sagt der Forscher.
  • "Das hat uns überrascht."
Auch die freigesetzte Energie beider Naturphänomene sei vergleichbar, erklärt Rumi Nakamura von der ÖAW.
  • Indes: "Ein Weltraumbeben erstreckt sich über ein viel größeres Gebiet, die Energie verteilt sich entsprechend."
  • Einem Raumschiff, das das betroffene Gebiet durchfliege, könnten die kosmischen Schwingungen laut Baumjohann aber durchaus gefährlich werden.
Zwar können die Forscher inzwischen starke Sonnenstürme meist vorhersagen - eine gute Nachricht für die Fernkommunikation und den Flugverkehr, da Sonnenstürme Satelliten und auch Flugzeuge in Mitleidenschaft ziehen können.
  • Eine Prognose der Weltraumbeben scheint bislang aber unmöglich.
  • "Wann der kritische Moment erreicht ist, lässt sich nicht vorhersagen", sagt Nakamura.
Immerhin könnten empfindliche Kompasse das Ereignis aufspüren, sagt der Braunschweiger Experte Glaßmeier:
  • Bei einem Weltraumbeben zitterten sie.
Außerdem erleben Bewohner hoher Breiten - etwa in Alaska oder in Skandinavien - derzeit ein besonderes Naturschauspiel:
  • Weltraumbeben lassen Polarlichter am Himmel leuchten.
  • "Solch ein kosmisches Beben", sagt Glassmeier, "ist eben vor allem schön".
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