Mittwoch, 28. Juli 2010

Das war aber jetzt eine mittelheftige Diskussion auf dem Rückweg im VW-Bulli. Erstaunlicherweise habe ich diesmal die Diskussion nicht gestartet, mich auch gar nicht eingemischt, sondern fast nur zugehört.

Teilnehmer:

Personaldienstleister,
  • fährt uns seit Anfang der Woche zur Arbeit in Papenburg und holt uns wieder ab
  • habe ihn heute morgen telefonisch wecken müssen, da im strömenden Regen einfach kein Auto kam - dachte schon, ich hätte mich verspätet !
Familienvater
  • ca. 30 Jahre alt, hat zwei Kinder,
  • gelernter Maurer, 
  • Fachabi nachgeholt + Qualifikationen für Elekrofachkraft 
Elektromeister
  • vor kurzem 25 Jahre alt geworden
  • Elektronikausbildung
  • in Hamburg seine Meisterprüfung abgelegt (Schwerpunkt: Motoren)
Meine Wenigkeit:

Geselle und Hilfsarbeiter

Im Grunde fing alles sehr gemütlich an. Personaldienstleister gibt ein paar allgemeine Informationen zum Besten, weil die Frage gestellt worden ist, warum so viele deutsche Grenzgänger in den Niederlanden arbeiten.
  • in den Niederlanden haben insgesamt gesehen die Arbeitnehmer am Ende des Monats mehr Netto im Portemonnaie als ein Deutscher => andere Steuerpolitik
  • diese Lohnpolitik ist so gewollt, damit die Menschen mehr konsumieren und somit ihr eigenes Land in Schwung halten
  • im Jahre 2012 soll es in Deutschland über  1 Millionen Arbeitslose weniger geben, weil diese in die Rente gehen
  • er zählt sich zu den Personaldienstleistern, die seinen Mitarbeitern einen fairen Lohn bezahlen, ihnen alles zur Verfügung stellt, was sie an Handwerkszeug und Kleidung  brauchen.
  • Er gibt Sprit- und Fahrgeld und wird spätestens für nächste Woche uns einen Leihwagen mieten, damit wir selber in einer Fahrgemeinschaft zur Arbeit gelangen.
Dann startet urplötzlich eine heiß, aber fair geführte Disskussion. Zum Glück lässt jeder jeden in Ruhe ausreden, so dass man die Argumente jedes Einelnen akkustisch mitbekommt und verarbeiten kann ganz im Gegensatz zu Talkshows und Gesprächsrunden im Fernsehen !

Familienvater: "Ich finde es eine Unverschämtheit, wie manche Menschen über Hartz IV-Empfänger reden. Als würden die in Saus und Braus leben und nichts tun ! Schau mal deinem eigenen Kind in die Augen, wenn es in das Freibad will und ich ihm sagen muss, das dafür kein Geld da ist !"
  • Elektromeister: "Ich kann das Thema Hartz IV und das Gejammer der Hartz IV-Empfänger nicht mehr hören. Wenn du mit dem Rauchen aufhörst, dann kannst du deinem Kind auch das Freibad bezahlen."
... inhaltlich korrekt und logisch. Er hat es allerdings in einem Ton gesagt, was der "Familienvater" nicht so einfach auf sich sitzen lassen kann.

"Ich verzichte schon auf das Mittagessen und kaufe keine CD's und ähnlichen Kram. So kann ich mir wenigstens meinen Tabak leisten, ich mache schon meine Opfer. Außerdem, ihr jungen Leute habt gut reden was Kinder anbelangt, und ihr vergesst immer wieder: ich gründe wenigstens eine Familie und gehe somit ein finanzielles Risiko ein, damit , wenn meine Kinder arbeiten gehen, du deine Rente bekommst !"  Das ist das Prinzip hier in Deutschland "!
  • "Ich habe das nicht so gemeint, aber hättest du auch eine Familie gegründet, wenn du nicht Hartz IV bekommen hättest ? In allen anderen Ländern dieser Welt bekommst du Null Euro !"
"Okay, habe ja verstanden, dass du es nicht so meinst, aber dieses ständige negative Gerede über Hartz IV Empfänger geht mir richtig auf den Sack !"
  • "Alles klar, verstehe ich, du kaufst ja noch wenigsten den billigen Tabak ! Ich werde auf keinen Fall jemals Hartz IV beziehen."
Personaldienstleister dreht sich vom Fahrersitz aus kurz um und hebt warnend den Zeigerfinger: "Sag das nicht, wer weiß, was in den nächsten 10-15 Jahren noch alles passieren kann !'?"

Danach unterhalten sich vorne im Wagen der Personaldienstleister mit dem Familienvater, der Elektromeister mit mir ! Der junge Elektromeister erklärt mir seinen Standpunkt, der ganz im Einklang mit seiner Vitae und seinen Zielen steht: zum Beispiel erst dann eine Familie gründen, wenn man genau weiß. dass man dafür auch die Kohle hat. Bevor mir gleich die Augen zufallen, hier die kurze Version über einen gemeinsamen Konsens, was unsere momentane berufliche Lage anbelangt.
  • Für mich ist der Zug abgefahren, ich komme von ganz unten, und versuche mich auf dem jetzigen Level zu halten, wenn das Glück und der Fleiß erhalten bleiben !
  • Der Elektromeister kommt von mindestens zwei Ebenen höher nach unten, und betrachtet die jetzige Situation als Übergangsphase.
Mit einer meiner Formulierungen und Umschreibungen ist er sehr einverstanden :
  • "Mir ist auch klar, worauf du hinauswillst. Du kommst von einem hochqualifizierten  Level und willst auch wieder dorthin. Was wir jetzt gemeinsam machen, betrachtest du als Zwischenphase, in der du dich auf keinen Fall lange aufhalten willst. Du möchtest ganz einfach gesprochen hoch hinaus !"

Er lächelt zufrieden: "Das stimmt !"

(es fehlt noch sehr viel, was man notieren könnte, besonders die jahrzehntelangen Erfahrungen und Kenntnisse vom Chef der Zeitarbeitsfirma über die Arbeitswelt in Deutschland "und Grenzgebiet !

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