Mittwoch, 17. Februar 2010

"Schiff, ahoi !"

Ein Abend hat mir wirklich sehr geholfen und Hoffnung gegeben ... will an einem Abend letzte Woche um 22h ins Bett gehen ... treffe zufälligerweise CI in seinem Auto, der nimmt mich zu einem Bekannten im Außenhafen ... wir gehen zu einer Anlegestelle nur für den Lotsebetrieb und klettern die eiskalte Metallleiter hinunter, es ist Ebbe ... hier haben ein Schiffsmechaniker mit kleiner Kapitänsausbildung und einer mit großen Kapitänsausbildung eine 24-Stunden-Schicht zu schieben: von 8 Uhr morgens bis zum nächsten Tag, danach drei Tage frei... es handelt sich um ein kleines zweimotoriges Schiff, schätzungsweise 4 mal 12 m ... es kommt aus Travemünde und wurde von den Franzosen für ca. 200.000 Euro (?) abgekauft, da die eigenen etwas größeren zwei Lotsen-Schiffe sich in Reparatur befinden ... als gelernter Elektroniker bin ich natürlich vollauf begeistert: das Führerhaus ist vollgestopft mit Elektronik + Laptop mit Internetverbindung + eine Palette von bunten Drückknöpfen + Radar usw. ...über das Internet können sie eine Liste von an- und ausfahrenden Schiffen per login+password aufrufen. Zusätzlich erhalten sie per Funk Anweisungen vom "Tower", indem ein Mann sitzt, der sie regelmäßig als "faule Eier" beschimpft ;-) ... das liegt daran, dass sie in den Totzeiten sich in den zwei kleinen Kojen unter Deck hinlegen können, der Mann in Tower aber ständig wach sein muss !

Bsp: Lotsenboot

Wenn ein Schiff ein- oder ausläuft, dann bringen sie und holen Lotsen vom Deck, meistens während laufender Fahrt. Wir unterhalten uns gut eine Stunde, dann kommt ein Einsatz: wir bringen einen Lotsen zur "Emden" (?) ein riesengroßes Auto-Verlade-Schiff ... auf den Rückweg wird noch ein anderer Lotse abgeholt ... eine Stunde später läuft die "Emden" aus ... sie wird von zwei Schleppern herausmanövriert ... das muss sein, denn die Strömungen der Ems, die in die Nordsee mündet, würde das große Schiff nur manövrierunfähig machen, zumal der Schwerpunkt überhalb der Wasserlinie sich befindet ... ein Schlepper zieht, der andere am anderen Ende hält das Schiffsungetüm auf Linie ... wenn jetzt das ausfahrende Schiff sich in der Strömung befindet, kann es aus eigener Kraft Fahrt aufnehmen, wird ber noch eine Weile von einem Schlepper geführt ... während der Ausfahrt fährt das Lotsenboot in geringer Geschwindigkeit (bis ca. 5 Knoten, Maximum: 20 Knoten, Knoten * 1,86 = km/h) nebenher ... wenn beide ungleich großen Schiffe ungefähr die gleiche Geschwindigkeit haben fährt das Lotsenboot nah an das fahrende Schiff heran ... es sieht so aus, als ob ein kleines unbedeutendes Böotchen einen Eisengiganten rammen und entern will ... ich selber stehe auf der Backbordseite und sehe den Riesen immer näher kommen, die Rumpfwand ist mindestens 25 bis 30m hoch, so hoch wie manch Kirchturm ... irgendwann liegen beide Schiffsrümpfe bei gedrosselter Fahrt nebeneinander, es passt kein Stück Papier zwischen den beiden ... eine Strickleiter ist beim Autotransporter von ganz oben bis nach unten fixiert ... jetzt kann in Ruhe über eine zusätzliche Treppe, die sogenannte "Gangway", der Lotse nach unten gehen und die letzten Meter über die Strickleiter in das Lotsenboot klettern ... dann dreht das Lotsenboot bei und kehrt zu seiner Anlegestelle zurück ... die "Emden" (?) fährt weiter über die Ems aus den Hafen hinaus und steuert "Jacksonville" an der Ostküste der USA an ...


flickr.com

... so ein nächtliches Manöver bleibt für mich natürlich unvergesslich, für die beiden Kapitäne natürlich Routine ... habe von außen selbstverständlich ganz genau die Steuerbewegungen des Kapitäns beobachtet. Er kann auf drei Arten steuern: über das Steuerrad und über ein ein Joystick, dem Jog-Shuttle. Da das Schiff über eine linke und rechte Außenmaschine verfügt kann er auch über die beiden Gashebel steuern: dieses Prinzip kennen auch die Ruderer, die mit den beiden Riemen auf der Stelle wenden können.


ship-world.de

Nachdem das Manöver beendet ist beginnt an der Anlegestelle erst mal ein langes Gespräch: CI unterhält sich stundenlang mit einem Lotsen, der eine kleine Gaststätte besitzt und auch Musik spielt, über Gastronomie und Musik ... das wird mir auf Dauer zu langweilig und lasse mir lieber das technische Equipment erklären ... wir gehen auch in den Maschinenraum, dem man vom Leitstand + oben vom Bug erreichen kann ... der Maschinenraum ist abgeschottet, allein um schon den Lärm (über 100 db A) und die Hitze (Abgase über 300°C warm) zu isolieren ... nach dem Maschinenraum in Richtung Bug befinden zwei kleine Kojen ... die beiden Maschinen/Motoren werden mit Seewasser gekühlt (Entkopplung der Kreisläufe) ...

Car landing port
gearthhacks.com

Der Schiffsmechaniker, der auch die kleine Kapitänsausbildung hat, ist Mitte 30, hat zwei Kinder und besitzt ein Wohnmobil, das oben an der Anlegestelle steht. Er ist eher ein ruhiger und recht sportlicher Typ. Der Mann mit der großen Kapitänsausbildung ist ebenfalls ein sehr ruhiger und ein Routinier. Er fährt schon über 40 Jahre zur See und will in den nächsten zwei Jahren in den Ruhestand gehen. Überraschenderweise will er seine Pension in Thailand verleben, hat eine Thailänderin geheiratet und weiß genau, was ihn in Südostasien erwartet ... wir verstehen uns blendend: sollte ich jemals nach Sumatra mal zurückkehren, werden wir uns über die Straße von Malakka gegenseitig besuchen ;-)

Abschleppdienst ;-)
forum-schiff.de

Ich erzähle auch zum allerersten mal zwei Menschen, was mein Traum ist und betone: es ist noch ein Traum => ich möchte gerne ein Schiff besitzen, bauen oder chartern, um in Indonesiens Gewässern von Küste zu Küste und von Insel zu Insel zu schippern, um dort Wasser- und Bodenproben zu machen und andere Aufgaben zu erledigen. Ich frage sie, ob dieses Schiff hochseetauglich ist ... nein, sei es nicht, ich müsste schon ein anderes kaufen, da dieses nur einen Seegang mit der Windstärke 6-7 aushalten könnte ... sie geben mir noch ein paar Tipps, worauf ich alles achten müsste und wünschen mir viel Erfolg ... ich könne zu jedem Zeitpunkt vorbeikommen und ihnen Skat beibringen und weitere nautische und maschinentechnische Informationen erhalten ;-)

Morning dew in Emden
flickr.com

Irgendwann verlassen wir das Schiff und fahren nach Hause ... oben am Kai befinden sich noch weitere Wohnmobile, in denen einige Leute von auswärts übernachten, sich sozusagen ein kleines Abenteuer gönnen ... zu Hause angekommen merke ich, dass ich den Rucksack vergessen habe ... fahre schnell mit dem Fahrrad zurück, leider kein Lotsenboot mehr da ... fahre wieder zurück um eine halbe Stunde wieder zurückzukehren ... halte nach dem Boot Ausschau, besonders nach den Lichtern: "Weiß auf Rot" (=Lotsenbetrieb) ... an der großen Seeschleuse warte ich, irgendwann müssen sie doch wieder vorbeikommen ... höre einen Riesenlärm, die große Seeschleuse öffnet sich und Tonnen von Stahl und Beton kommen quitschend auf mich zu: aha ... da will ein Kabelleger in den Hafen fahren, und das Lotsenboot fährt voran ... kann meinen Rucksack abholen und fahre sehr sehr zufrieden nach Hause ;-)

 Hafen + Seeschleuse

Mittlerweile haben mir einige bestägt, dass das Schiffswesen durchaus noch Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, sowohl in der Nautik als auch im Maschinenwesen. Habe gerade noch mit einem Zollbeamten gesprochen, der mit seinen 42 Jahren ein Quereinsteiger ist: hat Tischler gelernt und gearbeitet, war danach 12 Jahre beim Bund und macht jetzt erst mal in der Nautik seinen kleine Kapitänsausbildung. Er befindent sich auf einem 38m Schiff mit drei Motoren (zwei Außen- und eine Mittlere Maschine, die den Hauptschub gibt). Alle Maschinen machen ca. 5.500 PS aus bei einer Lautstärke von ca. 150-180dB A. Das Schiff macht sage und schreibe 28 Knoten: "Wir müssen auch keine Lotsen absetzen oder abholen, unsere Aufgabe ist das Jagen !" ;-) Sollte ich Interesse haben, es werden immer Leute gesucht, solle ich mich bei www.zoll.de erkundigen und erst mal eine dreijährige Zollausbildung machen ! ... hmm ... wäre doch mal ganz interessant THC-Schmuggler zu jagen und den ganzen Stuff für mich zu behalten ;-))

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