Mittwoch, 24. Februar 2016

Frauenbeschneidung: Rituale als Festigung von Macht und Herrschaft

Kontrollierter Sexualtrieb gilt als ehrenhaft

entnommen aus "Super Sonntag

vom 7. Februar 2016

Zitat:


Gestern war der internationale Tag gegen Genitalverstümmelung von Frauen - Privatdozent Dr. med. Dan mon O`Dey gibt Betroffenen Mut.

Aachen. Allein in Afrika sind jedes Jahr drei Millionen Mädchen dem Risiko einer Beschneidung ausgesetzt.

  • In Europa sind mehr als 700.000 Frauen betroffen und 180.000 der Gefahr einer Beschneidung ausgesetzt. 
  • In Deutschland sind nach Schätzungen vom TERRE DES FEMMES (TDF) 35.000 Frauen betroffen und 6.000 Mädchen gefährdet. 

(Stand 2015).

Gestern, 6. Februar war der internationale Tag gegen Genitalverstümmelung bei Frauen.


Ein Ziel der weiblichen Genitalbeschneidung (FGM = Female Genital Mutilatio) ist es, den Sexualtrieb junger Mädchen unter Kontrolle zu bringen. Die Bedingungen, unter denen diese Eingriffe durchgeführt werden, sind oftmals unhygienisch, und die Instrumente sind meistens stumpfe und rostige Messer.

  • Bei diesen Ritualen erleiden die Mädchen und Frauen qualvolle Schmerzen, die nach Beendigung der Beschneidung noch längst nicht vorbei sind
  •  Die Betroffenen leiden oft ein Leben lang an Langzeitfolgen.
Privatdozent Dr. med. Dan mon O`Dey ist Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische  Chirurgie, sowie Handchirurgie im Luisenhospital.

  • Er hat eine einzigartige Methode entwickelt, um das äußere weibliche Geschlechtsteil auch nach einer solchen Verstümmelung wieder herzustellen. 


Um sich ein ganzheitliches Bild dieser Tradition machen zu können, ist der 43-jährige Chirurg nach Tansania gereist und hat sich vom Stamm der Massai dieses in den afrikanischen Ländern sehr verbreitete Ritual erklären lassen.

  • " Ich selber habe deutsch-nigerianische Wurzel und wollte dieses Ritual im Kontext verstehen ".
Für unsere Kultur hier in Europa ist es ein unverständlich grausamer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, aber für andere Kulturkreise hat dieses Ritual oft einen ganz anderen Stellenwert ", so der Plastische Chirurg.

Das sieht Idah Nabaterega von TERRES DES FEMMES ähnlich:

  • "Wer sich einer solchen Beschneidung verweigert, muss mit Stigmatisierung rechnen. 
  • Unbeschnittene Frauen sind komplett von ihren eigenen Communities (Anmerkung d. Redaktion: Gesellschaft) ausgeschlossen, aus Sicht der Communities können diese nicht erwachsen werden und werden dadurch oft beleidigt.
  • Unbeschnittene Frauen können auch keine Ehe innerhalb der Communities schließen, und ohne Eheschließung kann keine Verwandschaftslinie verlängert werden.
  • Das ist für die Verweigerinnen und deren Familien oft eine Schande. "

Bei der Beschneidung werden nach der WHO (World Health Organisation) vier verschiedene Typen oder Grade unterschieden:

Beim ersten Grad (Typ I)  werden gewöhnlich die klitorale Vorhaut und die Spitze der Klitoris entfernt, die verbreitet unter dem Namen "Kitzler" bekannt ist.
  • "Dies ist der maximal gefühlsvermittelnde Teil des Klitorisorgans.
  • Das ist zu vergleichen mit der Amputation der Eichel - die genitale Empfindung ist damit massiv gestört", 
erklärt Dr. med. Dan mon O`Dey.


Beim zweiten Grad (Typ II) wird etwas radikaler vorgegangen.
  • Dabei werden zusätzlich die kleinen Schamlippen entfernt.
  • Der Scheideneingang wird dann verkleinert.
  • Nach diesem Verfahren haben die Betroffenen durch die Narben oft Probleme beim Wasserlassen.
Weitere verstärkte Probleme und Beschwerden treten bei drittgradig Beschnittenen (Typ III) auf.
  • Dabei wird die Gewebeamputation der Vulva auf die großen Schamlippen ausgedehnt und danach die Vulva bis auf eine minimale Restöffnung am hinteren Scheideneingang zugenähnt.
  • " Diese Frauen haben unter anderem sehr große Probleme beim Wasserlassen, da der Urin nicht hindernisfrei abgegeben werden kann "Teilweise dauert ein Toilettengang dadurch 20 bis 30 Minuten", 
so Dr. Dan mon O`Dey.


Zudem kommt es in sochen Fälle ebenfalls zu Problemen während der Periode, da das Menstruationsblut nicht regelrecht abfließen kann, was auch zu 
  • Schmerzen, 
  • wiederkehrende Entzündungen
und
  • Infektionen
führen kann.
  • Blut und Urin bieten damit einen geeigneten Nährboden für Bakterien.
" Solche Infektionen können zu hohem Fieber, Sepsis und schließlich zum Tode führen ", ergänzt der Chirurg.


Unter dem vierten Grad (Typ IV) versteht man alle weiteren, in diesem Kontext stehenden Verfahren am weiblichen Genital, wie, 
  • beispielsweise die Einfuhr ätzender/gerbender Lösungen in den Vaginalschlauch, um diese anzurauen.
Probleme auch in Europa.

Von  FGM sind längst nicht nur Frauen in weit entfernten Ländern betroffen.
  • "Betroffene Mädchen und Frauen in Europa sind entweder in europäische Länder migriert, nachdem sie bereits beschnitten wurden, oder die Praktik wurde im Geheimen, ggf. sogar in einem europäischen Land durchgeführt. Auch werden in Europa lebende Mädchen in den Ferien in ihr Heimatland gebracht, um dort beschnitten zu werden"
sagt Idah Nabateregga von TERRE DES FEMMES.
  • Laut dem Bundesministerium für der Justiz und für Verbraucherschutz ist in Deutschland seit 2013 die Frauenbeschneidung ein eigener Strafbestand und wird als Körperverletzung bezeichnet, die zu zwischen einem und zehn Jahren Gefängnisstrafe führt.
  • Seit 2015 ist die Praktik auch dann strafbar, wenn sie im Ausland durchgeführt wurde.

Dr. O'Dey entwickelte im Rahmen seines Forschungsschwerpunktes zur Durchblutung der Körperoberfläche (Angiosomforschung) neue Operationsmethoden zur anatomischen Rekonstruktion des äußeren weiblichen Genitals.
  • "Ansporn zur Forschung auf diesem Gebiet war damals für mich, dass es keine Technik gab, die eine anatomische Rekonstruktion des weiblichen Genitals vermocht hätte.
  • Damit wollte ich mich nicht zufrieden geben und entwickelte Techniken, die eine solche Rekonstruktion erzielen konnten, " 
so Dr. O'Dey.

Das Ergebnis ist die sogenannte aOo-AP-Insell-Lappenplastik.
  • Dafür wird aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Vulva durchblutetes und innerviertes Gewebe derart verlagert, dass eine annähernd anatomisch normale Vulva rekonstruiert werden kann.
  • Eine solche Operation kann je nach Komplexität bis zu sechs Stunden dauern.
Die Patientinnen können bereits einige Wochen nach der OP wieder den normalen Umgang mit dem Genital pflegen.
  • " Ich habe diese speziellen Operationsmethoden aus der Tumorchirurgie heraus entwickelt. Da hierbei ähnliche Gewebedefekte entstehen wie bei der weiblichen Genitalbeschneidung, habe ich mich an entsprechende Hilfsorganisationen gewandt, um diese Rekonstruktionsmöglichkeiten auch Betroffenen von FGM zur Verfügung zu stellen."
Zur Vorstellung seiner Operationsmethoden wird der Plastische Chirurg weltweit auf Fachkongressen eingeladen. Seine Patientinnen lernen die nicht-belastende Situation mit einer intakten Vulva nach der Rekonstruktion das erste Mal kennen:
  • "Das psycho-physische Gleichgewicht spielt eine sehr große Rolle. 
  • Die Rekonstruktion vermag eine Normalisierung der körperlichen Integrität zu unterstützen."
(Maribel Porras)

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(... was diese patriarchischen Systeme in all den tausenden Jahren empfohlen und befohlen haben - s.a. der Wandel vom Matriarchat zum Patriarchat - ist unbeschreiblich menschenfeindlich, grausam und verlogen ... 

  • ... warum überhaupt ein Mensch - egal wo und egal zu welcher Zeitepoche - die "Unversehrtheit seines Mitmenschen" nicht achtet, liegt in den tausenden martialischen Systemen und intoleranten Erziehungsprogrammen begründet, propagiert und aufgezwungen von fanatisierten Stammesältesten, Männerhorden, Staaten und Bündnissen ...

Wenn beispielsweise in Indien Frauen und in Kriegen Frauen und Männer systematisch vergewaltigt werden, dann spricht das viel dafür, dass ständig den falschen Personen die Verantwortung und die Leitung von menschlichen Gemeinschaften übergeben wird ...)

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