Dienstag, 8. Dezember 2009

Traumatologie von Hirn und Rückenmark


von

Friedrich Unterharnscheidt




sportschau.de


Zitat:

F. Gedeckte Schäden des Gehirns

Äußere mechanische Gewalteinwirkungen gegen den Kopf können einen Vielfalt von posttraumatischen klinischen Befunden und gedeckten Gewebeschäden zur Folge haben. Der resultierende posttraumatische klinische und der pathomorphologische Befund ist im wesentlichen abhängig:
  • (1) Von der Vektorrichtung (Stoßrichtung) der einwirkenden Gewalt
  • (2) der Auftreffstelle der einwirkenden Gewalt
  • (3) der Intensität der einwirkenden und auf den Schädel und das Gehirn fortgeleiteten kinetischen Engergie
  • (4) der Stoßzeit
  • (5) den Materialbeschaffenheiten (bedingt im wesentlichen durch Alter und Geschlecht des Verunfallten) der beteiligten Gewebe und Strukturen.
Cortex cerebri

bertelsmann-bkk.de

Die einwirkenden physikalischen Kräfte führen, wenn die Schwellenwerte oder -intensitäten erreicht oder überschritten werden, zu einem morphologischen fassbaren primärtraumatischen Gewebeschaden.

***
  • (schätzungsweise auch für Gerichtsmediziner, Pathologen und Kriminologen unabdingbar und u.U. immer wichtiger werdend, da immer weniger Zeit für gründliche und zeitintensive Untersuchungen, den allerersten Blick so zu schulen, dass eine möglichst große Palette an Ausschlusskriterien und eine minimale Anzahl an möglichen Ursachen im ersten Moment erfasst werden kann => Erfahrungswerte, jahre- bis jahrzehntelange Erfahrung, s.a. zunehmende Fehleinschätzungen aufgrund von Zeitmangel + in diesem Zusammenhang ausgleichende Hilfestellung von statistischen Werten und Erkenntnissen => die Zeiten von Sherlock Holmes sind leider längst vorbei, wir befinden uns in einem Zeitalter, wo die Analyse schnell erfolgen und trotzdem ein Fazit treffsicher gezogen werden muss ... es wird aber sicherlich auf kurz oder lang ein modifiziertes Umdenken stattfinden müssen, da einfach zu viele Fehler zwangsläufig zunehmen: s.a. Justizirrtümer aufgrund inkonsequenter Untersuchungen bzw. nicht getätigter Inspektionen)
  • (Bravo, Vater Staat ! => Mord an der Rechtsmedizin: Ein Viertel der forensischen Institute in Deutschland ist von Schließung bedroht. Ein Gespräch mit Wolfgang Eisenmenger (47/2003))
=> Zitat:
  • "Ein Institut schafft es ja gar nicht, den Lehrauftrag für zwei Universitäten in einer Stadt zu erfüllen – von der Untersuchung der Gewaltopfer einer Metropole ganz zu schweigen. Das ist unzumutbar. Für das kleinste Wehwehchen gibt es an jeder Ecke eine Anlaufstelle, niemand hat es weit bis zum nächsten Krankenhaus. Nur die Zusammengeschlagenen und Vergewaltigten sollen künftig stundenlange Fahrten auf sich nehmen, um von einem Rechtsmediziner untersucht zu werden. Die Sparwut nimmt ein ungeheures Ausmaß an; dabei werden die Belange der Schwächsten ignoriert."
+
  • "Und manche Staatsanwälte verzichten jetzt gern mal auf die Obduktion einer Leiche, weil der Weg zum nächsten Institut immer weiter und damit der Transport immer teurer wird. So kommt es zu Ermittlungsfehlern bei Gewalt- oder Tötungsdelikten" (s. leidige eigene private Erfahrungen)"
  • "Wissen Sie, wir haben eine Klientel, die im öffentlichen Bild leicht verschwindet. Wir machen ausschließlich Opferuntersuchungen. Der nicht aufgedeckte Mord stört niemanden, solange er nicht aufgedeckt bleibt. Er schönt die Statistik, alle sind froh – auch deshalb, weil nicht darüber diskutiert werden muss, dass in unserem wohlhabenden und sozialen Land eine Vielzahl von Menschen leidet. Klassisches Beispiel ist die häusliche Gewalt. Um die kümmert sich weder der Chirurg noch der Internist, noch der Gynäkologe – sie kurieren allenfalls an den Symptomen herum. Wenn eine Frau mit einem blauen Auge kommt, das ihr der Ehemann geschlagen hat, dann wird der Augenarzt die Schwellung behandeln und die Aussage der Patientin entgegennehmen, sie sei ausgerutscht und gegen eine Kante gestürzt. Die Hintergründe der Verletzung interessieren niemanden – außer uns."
***

weiter im Thema:

Die Gewalteinwirkung gegen des Kopfes kann zu Gewebeschäden an den
  • (1) Weichteilen des Kopfes
  • (2) zu Verletzungen, im wesentlichen Frakturen des Schädelknochens
  • (3) zu Veletzungen der das Gehirn umgebenden Häute (=> Dura mater, Pia mater, Reticulum/Plexum (?) Arachnoidea)
  • (4) zu Gewebeschäden des Gehirns
  • (5) zu Verletzungen intrakranieller, extra- und/oder intrazerebraler Gefäße
  • (6) zu Verletzungen der Hirnnerven führen
  • (7) kann kombiniert sein mit traumatischen Schäden anderer Körperregionen, in diesem Zusammenhang sind vor allem die gleichzeitigen traumatischen Schäden an Wirbelsäule und Rückenmark hervorzuheben und zu berücksichtigen.
Bei den gedeckten Schädel-Hirn Verletzungen unterscheidet man seit PETIT zwischen
  • (1) Commotio cerebri (=Gehirnerschütterung)
  • (2) Contusio cerebri (=Gehirnprellung)
  • (3) Compressio cerebri (=Gehirnquetschung)
Diese diagnostische Unterteilung kann mit Einschränkungen auch heute noch benutzt werden, obgleich klinische Befunde eine derartige Einteilung der gedeckten Hirnschäden oft nicht mit Sicherheit erlauben.

Wie in einem späteren Kapitel ausführlich dargelegt wird, hat die klinische Differentialdiagnose zwischen Commotio cerebri und dem Vorliegen von primär- und/oder sekundärtraumatischen Schäden durch Einführung computertomografischer Untersuchungen bedeutende Fortschritte erzielt. Die 4. und 5. Generation von Computertomographen setzen uns heute in die Lage, zwischen der klinischen Diagnose der Commotio cerebri und der morphologischen Diagnose cerebri differentialdiagnostisch recht präzis zu unterscheiden.

Einteilung

(1) Mit der klinischen Diagnose Commotio cerebri (Hirnerschütterung) wird ein klinischer Symptomkomplex erfasst, der mit einer vollständigen Rückbildung aller klinischen Symptome einhergeht und dem kein mit den heutigen Untersuchungstechniken fassbarer morphologischer Gewebeschaden zugrunde liegt. Es handeltsich, wie Spatz ausführte, um einen "spurlosen" Schaden.

(2) Contusio cerebri ist eine morphologische Diagnose, sie wird benützt, wenn es aufgrund der mechanischen Gewalteinwirkung zu einem morphologisch fassbaren primärtraumatischen Gewebeschaden am Gehirn gekommen ist. Der lateinische Ausdruck "Contusio" kann in medizinischer Bedeutung mit Quetschung oder Kontusion übersetzt werden (das lateinsiche Verb contundere kann mit zerstoßen, zermalmen, eingquetschen übersetzt werden; im weiteren Sinne auch mit mürbe machen, lähmen, der Spannkraft berauben, brechen etc.). So bezeichnet dieser Begriff im weiteren Sinne eine primärtraumatische mechanische Schädigungsfolge des Gehirns, die aber einschränkend nur bei den gedeckten Schädel-Hirn-Verletzungen gebraucht wird. Die Folgen offener Verletzungen werden nicht unter dem Begriff der Contusio cerebri erfasst, sie werden als Hirnwunden bezeichnet, auch wenn eine zusätzliche Quetschung des Gewebes vorliegt. Es können bei Schussverletzungen des Gehirns durchaus auch einzelne Kontusionsherde vorliegen.

Der Begriff der Contusio cerebri kann daher auch nicht durch den Terminus "primärttraumatischer Hirnschaden" ersetzt weden, denn hierunter werden sowohl die Folgen stumpfer als auch scharfer Gewalteinwirkungen zusammengefasst, die sowohl zu gedeckten oder geschlossenen als auch offenen Hirnschäden führen. Oft wird der Terminus Contusio cerebri jedoch auch als eine klinische Diagnose angewandt, man fasst dann in einem recht weiten Sinn die Folgen primärtraumatischer Gewebeschaden nach stumpfer Gewalteinwirkung gegen Kopf zusammen, denen sich nach einer bestimmten Überlebenszeit auch sekundärtraumatischer Hirnschäden hinzugesellen. Der Gebrauch des Terminus Contusio cerebri als klinische Diagnose ist nicht statthaft. Noch eine weitere Unterscheidung muss eingehalten werden: Contusio cerebri darf nicht mit der Hirnkontusion im Sinne von echten Kontusions- oder Prellherden oder sog. Kontusionsherden oder sog. Rindenprellungsherden par contrecoup gleichgesetzt werden.

Contusio cerebri ist demnach der weitere Begriff, die Gruppe der echten Prell- oder Kontusionsherde oder die sog. Kontusions- oder sog. Rindenprellungsherde par contrecoup stellen bestimmte Formen der Hirnschäden nach stumpfer Gewaltweinwirkung dar, die auf S. 370 eingehend besprochen werden. Der Ausdruck Contusio cerebri kann m. E. auch heute noch durchaus gebraucht werden, wenn man mit der im vorhergehenden diskutierten Problematik vertraut ist.

(3) Unter dem Begriff der Compressio cerebri werden alle Folgen nach einwirkender Gewalt auftretenden intrakraniellen Drucksteigerung zusammengefasst. Sie kann die Folge von extra- und intrazerebralen Blutungen und Hirnödem sein (s.a. Prüfungsfrage: was machen sie mit einem Patienten mit Verdacht auf Gehirnerschütterung => präventive Bettruhe, unter Beobachtung, mind. 24 Stunden, um intrakranielle Blutungen auszuschließen + Kaskade eventueller Ausfallerscheinungen erklären + sofortige Maßnahmen)

Es ist in der Literatur oft gesagt worden, dass das Einteilungsprinzip der Schädel-Hirn-Verletzungen in eine Commotio, Contusio und Compressio cerebri auf Jan Louis PETIT zurückgehe. PETIT hat ohne Zweifel wesentliche Beiträge zur operativen Chirurgie und auch für die Einteilung der Schädel-Hirn-Verletzungen geliefert.

[...]

Da eine Besprechung der Biomechanik, Pathomorphologie und Klinik der gedeckten Schädel-Hirn-Verletzungen ohne eine fundierte Klassifikation nicht durchführbar ist, wird trotz der vorgetragenen kritischen Einwendungen die Einteilung in Commotio und Contusio cerebri weiterhin angewendet. Contusio cerebri bedeutet hier Substanzschädigung des Gehirns bei gedeckter Schädel-Hirn-Verletzung.


1. Schädelprellung und Begriff der Subcommtio cerebri

a) Einführung

Die Diagnose Schädelprellung (Contusio capitis) beschreibt ein klinisches Bild nach stumpfer breitflächiger Gewalteinwirkung gegen den Schädel ohne nachfolgende Bewusstlosigkeit und Tonusverlust. Die Intensität der auf Schädel einwirkenden kinetischen Energie liegt unter dem Schwellenbereich, der für die Erzeugung eines Kommotionssyndroms notwendig ist. Es handelt sich hierbei um ein klinisches Syndrom, das weder funktionelle Störungen noch morphologische Veränderungen am ZNS hinterlässt.

b) Verletzungsursachen und Verletzungsfolgen

Die Ursachen von Schädelprellungen bestehen in Anstößen gegen
  • Türrahmen,
  • herabhängende Gegenstände,
  • Stürze
  • etc.
Sie sind aber oft auch die Folge von Gewalteinwirkungen gegen den Kopf bei
  • Verkehrs-
  • Haus-
  • Arbeits-
und
  • Sportunfällen
Man spricht in diesem Zusammenhang nicht sehr glücklich auch von sog. Bagatelltraumen. Es kann sich bei umschriebener Gewalteinwirkung ein umschriebene, subgaleales Hämatom ("Beule") einstellen. Kopfprellungen. Kopfprellungen können aber auch mit Schnitt- und Platzwunden des Gesichts- und Gehirnschädels einhergehen.

Eine Gewalteinwirkung, die das klinische Bild einer Schädelprellung zur Folge hat, kann durchaus mit einer epiduralen Blutung zu denken, die sich durchwegs innerhalb von 2 Tagen manisfestiert.

Eine banale Gewalteinwirkung gegen den Kopf kann bei einem Patienten, der Dicumarin-Therapie erhält, ein intrakranielles Hämatom entwickeln
  • (s. Herbie, seit Unfall, inkl. Herz, auf Cumarin eingestellt, Cave: einige handwerklichen Tätigkeiten wie schneidend und sägend sind für ihn doppelt gefährlich => Blutungsgefahr)

Commotio cerbebri (=Gehirnerschütterung)

c) Der Begriff der Subcommotio cerebri


Unsere experimentellen Untersuchungen an verschiedenen Tierspezies (UNTERHARNSCHEIDT 1958, 1963, 1975) sowie Befunde am Menschen zeigten jedoch, dass wiederholte und gehäufte Gewalteinwirkungen von sukommotioneller Intensität schließlich doch zu einem schweren Hirndauerschaden infolge sekundärtraumatischer, kreislaufbedingter Gewebeveränderungen führt (Summatitonseffekt). Typische Beispiele sind die

chronischen Boxerhirnschäden
  • UNTERHARNSCHEIDT, 1970, 1972, 1973, 1975, 1985
  • UNTERHARNSCHEIDT u. SELIER 1971
  • ROBERTS 1969
  • CORSELLIS et al. 1976),
Treffer mit Schlagwirkung !


p-shuttle.de ;-)

  • (... gut, dass der großgewachsene Leit. Ing. MS und Ing. DH mit dem Boxen aufgehört haben: der erste hat es immer von den Kleineren krass auf die Leber bekommen, weil sie an sein Kinn nicht herangekommen sind + der andere mit hoffnungsvoller Karriere (litauische nationale Jugendauswahl) war sich der Gefahr des Summationseffektes sehr bewusst + "die Schmerzen kommen immer erst nach dem Kampf, dann aber sehr heftig !")
die Hirndauerschäden von Jockeys mit häufigen Stürzen
  • FOSTER et al. 1976
... und wer schützt die Pferde ?

sowie von Epileptikern mit vielen Anfällen und Stürzen
  • NEUMANN 1959
  • (s. Bethel/Bielefeld/Bodelschwing => man sieht ab und zu betroffene Kinder und Jugendliche mit Helm und anderem Kopfschutz im Alltag)


Bevor das klinische Syndrom Comotio cerebri besprochen wird, scheint es mir angebracht, zunächst einige der bisher vorgelegten Definitionen zu zitieren. Aus den bisher vorgelegten Definitionen der Commotio cerebri ergibt sich, dass die wesentlichen, dem Vorgang zugrundeliegenden Phänomene und Mechanismen noch weitgehend unbekannt geblieben sind. Es sind Begriffsbestimmungen, die größtenteils per exlclusionem entstanden sind.


b) Geschichtlicher Überblick

Die erste detaillierte Schilderung der Commotio cerebri ("cerebrum commotium") gab Giacomo Berengario da CARPI (1518) mit einem ersten physikalischen Erklärungsversuch: Die Commotio cerebri entstehe durch eine Anstoßen des weichen Hirngewebes gegen die harte knöcherne Schädelwand.

Giacomo Berengario da CARPI (1470-1550) war ein bedeutender Anatom. Das obengenannte Zitat entstammt: "De fractura calvae sive cranii", 1518 erschienen.

Volcher COITER (1573) beschrieb als Symptome einer Concussion:
  • "Stocken der Sprache,
  • Verlust des Gedächtnisses,
  • Schwerfälligkeit im Verstehen
  • schlechte Urteilskraft."
Volcher COITER (1534 -1600) war ein Schüler von FALLOPIUS u. EUSTACHIUS und wurde Stadtarzt in Nürnberg: Er veröffentlichte 1573 die erste Monographie über die Anatomie und Physiologie des Ohres: "De auditus instrumento", in seinen: "Externarum et internarum principalium humani corporis partium tabulae").

Gregor HORST (1628) leistete einen wichtigen differential-diagnostischen Beitrag, klinisch eine Commotion von einer Apolexie abzugrenzen.

Gregor HORST (1578 -1663) wurde in Torgau geboren, studiert in Helmstedt und Wittenberg, wo er 1601 die Magisterwürde erlangte, studierte dann Medizin und promoviert in Basel 1606. Er hatte im selben Jahr einen Ruf auf den Lehrstuhl für Medizin in Wittenberg erhalten, ging 1607 nach Salzwedel und wurde 1608 Professor der Medizin in Gießen und Leibarzt des Landgrafen von Meißen. 1622 wurde er Stadtphysicus in Ulm, wo er 1636 starb. Er war ein berühmter Praktiker, es wurde ihm der Beiname des "deutschen Aesculap" gegeben. Die Kasuistik ist seinem Werk. "Observatorium medicarum singularium libri quattor priores accessit epistolarum etc.", 1628 erschienen, entnommen.

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tobeco


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... verdammt dicke Beule an der linken Schläfe, eine Bohle im Speicher muss gestern wohl zu hart gewesen sein ... Thema "Beule", mal schauen ... hmm, kein Wiki-Eintrag, dafür so etwas wie die beule » Aufklärung, Verhütung & Körper ... sehr interessantes Thema ;-) aber trotzdem nicht relevant für mein Problem: möchte feststellen, wann eine Beule am Kopf anzeigen könnte, ob es auch zu möglichen intrakraniellen Blutungen bei heftigen Stößen und Schlägen gekommen sein könnte => s.a.
  • Kindesvergewaltigung + häusliche Gewalt ( ="ist die Treppe heruntergefallen")
  • Sportunfälle,
  • Ausfallerscheinungen,
  • Totschlag,
  • Obduktion,
  • etc...

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