"Theatermagazin"
Spezial: Avignon 2008.
Inszenierungen:
1): "My Story Is Not a Loft" von Jean Lambert-Wild
Jean Lambert-Wild stellte mit "My Story Is Not a Loft" auf dem Theaterfestival in Avignon 2005 eine eigenwillige und sehr umstrittene Performance vor, in der er sich höchst persönlich in einem gläsernen Sarg ausstellte. Mit dem Einwurf eines Euros konnten die vorbeikommenden Passanten den Performer aus der Reserve locken: Aus 326 Fernsehprogrammen konnten sie eines auswählen, die der vermeintlich Tote sich dann - aufgeweckt durch einen kleinen "Elektroschock" - ansehen musste. Mit seiner Straßenaktion konfrontierte Jean Lambert-Wild den Zuschauer mit seinem eigenen Verhältnis zu medialen Bildern und der Frage, inwieweit diese sein Weltverständnis prägen.
=> das Ganze wirkt schon sehr befremdlich: der Künstler liegt rücklings inmitten einem Berg von bunten Stofftieren, Puppen etc. Auf dem Bauch liegt an manchen Tagen und Stunden eine Kalashnikov. Vor ihm ein riesig großer Bildschirm, auf dem ständig das Programm wechselt. Sobald auf dem roten Not-Ausschalter gedrückt wird, zuckt der Körper hoch. Die Kommentare der Besucher sind vielfältig, insgesamt will keiner so recht glauben, dass das echt ist. Aber je mehr gedrückt wird, desto mehr schlechtes Gewissen bekommen manche, und manche wiederum nicht. Diese makabre Darbietung lässt offen, ob es sich um einen ausgeklügelten Mechanismus oder tatsächlich um echte Stromstöße handelt. Und trotz der Möglichkeit, dass Stromschläge das Aufbäumen und Durchzucken des Körpers hervorrufen, drücken manche, gerade die 16-25 jährigen am häufigsten, immer wieder und immer wieder. Viele Passanten sind auch entsetzt, eine Mutter verbietet ihrem Kind auf den großen roten Knopf zu drücken, eine weitere schreibt eine Beleidsbekundung auf einem Blatt Papier, in der Hoffnung, dass der Mann es lesen kann und eine andere sorgt sich, ob er auch mit Ventilatoren genug Frischluft in seinem gläsernen Sarg zugeführt bekommt. Insgesamt steht diese Perfomance unter dem Motto: Folter: der Mensch als Voyeur, Opfer und Täter. Der Gesichtsausdruck des Künstlers passt zu diesem Thema, es vermittelt Leere, Teilnahmslosigkeit und Resignation. Ich finde dieses Experiment höchst interessant, weil die Gesinnung der vorbeiziehenden Menschen mit nur einem einzigen Knopfdruck und den entsprechenden Kommentaren zu erkennen ist, bei manchen ansatzweise und bei anderen wiederum klar und deutlich.
(2): "Les Marchands" in einer Inszenierung des Autors und Regisseurs Joël Pommerat
Joël Pommerat ist Autor und Regisseur des Stücks "Les Marchands", das 2007 in Avignon die Frage nach dem Stil im weitesten Sinne aufwarf: eine poetisch-politische Weltsicht, in der die Politik letztlich nichts anderes als eine Stilfrage ist. Mit dieser Arbeit gelang Pommerat der Durchbruch. Seitdem nimmt er einen zentralen Platz in der Theaterszene Frankreichs ein. In diesem Jahr bringt er "Je tremble" nach Avignon.
(3): "Die Möwe" in einer Neuinszenierung von Claire Lasne-Darcueil
Claire Lasne-Darcueil stellt eine Neuinszenierung von Tschechows "Die Möwe" vor, eine Komödie über Kunst und Liebe, die als Meisterwerk des russischen Theaters gilt. Die Musik zu dieser Inszenierung stammt von Alexandros Markeas, der jede Gestalt gleichsam zum Klingen bringt. Claire Lasne-Darcueil war bereits mehrfach Festivalgast. "Die Möwe" wird dieses Jahr im Cloître des Carmes aufgeführt.
(Quelle: tvtv.de, arte)
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