aus: Bibliographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
PLATON, der bedeutendste griechische Philosoph der Antike, hieß eigentlich Aristokles, doch ist schon zu seinen Lebzeiten sein Beiname P. zum Namen geworden. Er wurde irgendwann zwischen März und Mitte Juli des Jahres 427 als Sohn des Ariston und der Periktione in Athen geboren (Diogenes Laertios (III 3) u. a. nennen als Geburtsort Aigina).
Die Akademie feierte später den 7. Thargelion als seinen Geburtstag. 348/47 starb P. hochbetagt. Sein Grab soll er in unmittelbarer Nähe der Schule gefunden haben (Paus. 1, 30, 3).
P.s Leben ist auf Grund spätantiker Biographien bekannt, in denen viel ältere Quellen aufbewahrt sind. Bei ihrer Auswertung ist zu berücksichtigen, daß schon früh die Tendenz zu beobachten ist, Platon als »göttlichen Mann« zu zeichnen. Dieses Bild bestimmt bereits die älteste erhaltene Platonbiographie, wie sie noch bei Apuleius von Madaura, De Platone et eius dogmate, 1-4, wirkt.
Auch andere Berichte über Platons Leben und Lehre bei Diogenes Laertios, Olympiodor u.a. sind von dieser Anschauung geprägt. Nach dieser Philosophenlegende erhielt P. die beste athenische Bildung.
Als Ringkämpfer soll er in den Isthmischen Spielen gesiegt haben. Auch seinen Militärdienst leistete P. ab. Sein literarisches Werk soll Tragödien, Epigramme und anderes umfaßt haben. Die Begegnung mit Sokrates und seinem Kreis soll P.s Leben so tief verändert haben, daß er seine Dramen verbrannte.
Mit dieser Überlieferung stehen P.s eigene Aussagen in gelegentlicher Spannung. Der siebente Brief, der wohl als echt gelten darf, läßt erkennen, daß P. vorhatte, »unverzüglich an die Geschäfte des Staates zu gehen« (Brief 7, 326), sobald es ihm irgendwie möglich war. Seine eigenen politischen Erfahrungen ließen ihn seinen Entschluß ändern, denn P. erlebte nicht nur das Regiment der Dreißig (404/403) aus nächster Nähe mit, sondern auch den Prozeß und das Todesurteil gegen seinen Lehrer Sokrates (399).
P. bemühte sich nun, seine Philosophie, die auch die Lehre vom besten Staate umfasste, praktisch zu verwirklichen, aber nicht in Athen, sondern in Syrakus, wohin ihn insgesamt drei Reisen führten (388/87, 367-365, 361-360).
Rückblickend berichtet er: »Ich wurde gezwungen auszusprechen - mit einem Lobe auf die echte Philosophie -, daß es allein von ihr aus möglich sei, das, was im Staat und Leben der Einzelnen gerecht ist, vollständig zu erkennen. Von ihrem Elend würden daher die Geschlechter der Menschen nicht befreit werden, ehe nicht das Geschlecht der echt und wahr philosophierenden Männer an die Herrschaft im Staate käme oder der Machthaber in den Staaten durch eine göttliche Fügung wirklich zu philosophieren beginne. Das war meine Überzeugung, als ich zum erstenmal nach Italien und Sizilien kam.«
In Unteritalien lernte P. die Pythagoreischen Brüderschaften kennen und gewann Archytas von Tarent zum Freund. In Sizilien lernte er die Tyrannis Dionysios'I. kennen und schloß Freundschaft mit dessen Schwager Dion. Nach Athen zurückgekehrt gründete P. im Hain des Heros Akademos (daher die Bezeichnung Akademie) eine Schule für Philosophie, um Politiker in seinem Sinne heranzubilden.
Die Akademie hat P. über vier Jahrzehnte geleitet. Seine Lehrtätigkeit unterbrach er nur zweimal (367-365 und 361-60), um auf Sizilien den ehrgeizigen Versuch voranzutreiben, seine staatspolitischen Ideale zu verwirklichen. Dem Unternehmen war kein Erfolg beschieden. Spätestens Dions Ermordung (353) machte jede Hoffnung zunichte. P.s Schriften sind sämtlich erhalten. Sie umspannen vielleicht die Zeit von den letzten Jahren des Sokrates bis zu P.s eigenem Tod.
Von seiner Vorlesungstätigkeit hat sich dagegen nur wenig durch Andeutungen bei Aristoteles und späteren Autoren erhalten. Das Corpus Platonicum enthält neun als echt überlieferte Tetralogien, in denen die Apologie, 34 Dialoge und eine Sammlung von dreizehn Briefen enthalten sind. Im Corpus Platonicum folgen auf die Tetralogien einige Schriften, die der platonischen Schultradition zuzurechnen sind, aber schon in der Antike nicht als Werke P.s galten. Auch in einigen anderen Fällen unterliegt die Verfasserschaft P.s berechtigtem Zweifel.
Mit vollem Recht gilt P. als bedeutendster griechischer Philosoph. Seine Wirkung auch auf die christliche Kirche und deren theologische Literatur ist unübersehbar. Alle abendländische Philosophie ist als Fußnote zu P. bezeichnet worden, der wie kein anderer die Welt- und Selbstorientierung des Menschen denkerisch bewältigt hat. P.s Akademie bestand über neun Jahrhunderte lang, bis Justinian sie im Jahre 529 aufhob.
Die Fragestellungen und Lösungsvorschläge P.s aber sind ebenso wie die von ihm verwendeten Grundbegriffe und Methoden bis in die Gegenwart von grundlegender Bedeutung geblieben.
Werke: 1. sokratische Periode: Kleiner Hippias, Ion, Laches, Charmides, Lysis, Euthyphron, Apologie, Kriton, Protagoras, Großer Hippias (wenn echt), Euthymedos, Kratylos, Menexenos, Großer Alkibiades (wenn echt), Gorgias, Menon, 2. mittlere Periode: Symposion, Phaidon, Politeia, Phaidros, 3. Altersperiode: Parmenides, Theaitetos, Sophistes, Politikos, Philebos, Timaios, Kritias (unvollendet), Nomoi (unvollendet). Gesamtausgabe:n: I. Burnet I-V, 2. Aufl. Oxford 1905-1913; M. Croiset u.a. I-XIII, Budé 1920-1964; G. Eigler, Darmstadt 1977, 2. Aufl. 1990: Platon, Werke in acht Bänden. - Studienausgabe. Griechisch und Deutsch. Die deutsche Übersetzung gemäß der Schleiermacherschen, teilweise der Hieronymus-Müllerschen und teilweise in Neuübersetzung; griechischer Text aus der Sammlung Budé (Les Belles Lettres, Paris). Hrsg. und überarbeitet von Gunter Eigler unter Mitarbeit von Heinz Hofmann, Dietrich Kurz, Klaus Schöpsdau, Peter Staudacher und Klaus Widdra.
Bibliographie: E. M. Manasse, Bücher über P., in: Philosophische Rundschau, Tübingen, Sonderhefte 1957; 1961; 1976; L. Brisson/H. Joannidi, P. 1975-1980, in: Lustrum 25, 1983, 31-320.
Lit.: A. Wyller, Der späte P., Hamburg 1970; - W. K. C. Guthrie, A History of Greek Philosophy IV, Cambridge 1975; V, Cambridge 1978; - K. Jaspers, P., München 1976; - A. Swift Riginos, Platonica. The Anecdotes Concerning The Life And Death Of P., Leiden 1976; - G. M. A. Grube, P.s Thought, London 1980; - Pauly-Wissowa XX/2, 2342-2537; - RGG V, 407-411; - LThK VIII, 553-554.
Eckhard Reichert
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