Montag, 20. August 2007

Was bei Silizium Phase ist

Man sollte meinen, ein Vorgang wie das Schmelzen eines Stoffes ließe aus wissenschaftlicher Sicht keine größeren Fragen mehr offen. Doch bis heute ist für viele Stoffe nicht bis ins Detail verstanden, was auf atomarer Ebene passiert, wenn sie vom festen Zustand in den flüssigen übergehen. Physiker der Universität Jena und des Hahn-Meitner-Instituts (HMI) in Berlin haben den Phasenübergang von amorphem Silizium untersucht und dabei gleich zwei Besonderheiten aufgedeckt.

Sie widerlegten zum einen, dass es sich beim Wechsel des Aggregatzustandes um einen echten Schmelzvorgang – einen Phasenübergang 1. Ordnung – handelt, wie man ihn etwa von Metallen kennt. Zum anderen fanden sie erstmals Hinweise auf einen so genannten Flüssig-Flüssig-Phasenübergang. Ein solcher war bisher nur am Computer simuliert, jedoch nicht in Experimenten nachvollzogen worden. Die Ergebnisse, die einen Paradigmenwechsel darstellen, sind in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Materials" erschienen.


André Hedler am Teilchenbeschleuniger. In dem Apparat „hämmern" Ionen auf winzige Proben ein. Anhand der Deformation amorphen Siliziums konnte der Physiker Aussagen über den Schmelzprozess treffen.

Schmilzt wie Glas

„Entgegen der bisherigen Postulate konnten wir einen zweistufigen Vorgang nachweisen, bei dem sich amorphes Silizium im ersten Schritt wie Glas verhält", nennt der Erstautor André Hedler das Ergebnis. Dem Physiker, der gerade seine Doktorarbeit an der Uni Jena anfertigt, ist es gemeinsam mit Dr. Siegfried Klaumünzer und Prof. Dr. Werner Wesch gelungen, zu zeigen, was beim Phasenübergang Phase ist.

In amorphem Silizium, das etwa in Solarzellen von Taschenrechnern zum Einsatz kommt, hat jedes Atom vier Nachbarn, die jeweils in den Ecken von Tetraedern angeordnet sind. Bei einer Temperaturerhöhung gerät dieses Gerüst aus den Fugen, so dass im flüssigen Silizium ein Atom von sechs Nachbarn umgeben ist. Die Atome rücken also näher zusammen, weswegen flüssiges Silizium auch eine erheblich höhere Dichte aufweist. Da dieser Umbau jedoch in wenigen Picosekunden abläuft, hatten bisherige Experimente den genauen Verlauf nicht hinreichend erklären können.

„Lässt man sich beim Messen zu lange Zeit, kann man lediglich konstatieren, dass das, was vorher fest war, nun als Flüssigkeit vorliegt", nennt Hedler ein Hauptproblem. Deshalb bediente er sich der Methode des „Ion-Hammering", ein Effekt, den Co-Autor Klaumünzer 1983 am HMI entdeckt hat. Dabei wird eine mikrometerdünne Schicht eines festen Stoffes mit Ionen beschossen.

Um festzustellen, in welche Richtung die Deformation erfolgt, wird ein Orientierungsraster aufgebracht. Ein Teil der Probe wird bedeckt, der andere den Ionen ausgesetzt. Die Abb. (r.) zeigt die Verschiebung der bestrahlten Si-Schicht.

Die Behandlung führt dazu, dass die Schicht danach platt ist, als ob ein Schmied sie auf dem Amboss breitgehämmert hätte. Da das Material entlang der „Ionenbohrlöcher" flüssig wird und diese kurzzeitig entstehende Flüssigkeit Schubspannungen, die entlang der Ionenbahn entstehen, abbaut, wird die Schicht auf bestimmte Art und Weise deformiert. „Würde der Übergang vom festen in den flüssigen Zustand in amorphem Silizium so ablaufen wie bisher angenommen, hätten wir jedoch nach der Ionenbestrahlung eine entgegengesetzte Deformation feststellen müssen", erklärt Hedler. Seine Ergebnisse sprechen aber eine andere Sprache. Das bedeutet, dass der Phasenübergang kein Schmelzprozess 1. Ordnung ist.

Der Jenaer Nachwuchsforscher beschreibt das Ergebnis wie folgt: „Wir messen zwar eine plastische Deformation, d. h. für hinreichend hohe Energien werden Schubspannungen abgebaut. Doch die Richtung, in die sie abgebaut werden, ist nicht die erwartete. Das amorphe Silizium reagiert wie ein Glas."

Diese Beobachtung setzt voraus, dass man im richtigen Zeitfenster auf die Probe blickt. Das ist den drei Autoren mit ihrem Versuchsaufbau erstmals gelungen. Sie erwischten das Silizium dabei, wie es sich für kurze Zeit ausdehnte. An diesem Punkt liegt es bereits als Flüssigkeit vor, aber jedes Atom hat immer noch vier Nachbarn, die weiter voneinander wegrücken. Ehe man sich versieht, ist jedoch die Temperatur erreicht, bei der die Atome wieder näher zusammenrücken, so dass nun ein Atom sechs Nachbarn und die Flüssigkeit eine höhere Dichte hat.

„Bisher wurde amorphes Silizium nicht als Glas angesehen", so Hedler. Denn es liegt bei ausreichend hohen Temperaturen als Flüssigkeit mit höherer Dichte vor. Ein solcher Effekt tritt in Glasschmelzen nicht auf. Dass er nachweisen konnte, dass Silizium sowohl als weniger dichte Flüssigkeit (LDL-Silizium) als auch als Flüssigkeit mit hoher Dichte (HDL-Silizium) vorliegt, impliziert, dass nach dem Glasübergang noch ein Flüssig-Flüssig-Phasenübergang erfolgt. Dieses Phänomen wird wegen der Anordnung der Moleküle auch für Wasser angenommen. Stefanie Hahn.

Quelle: Uni-Journal-Jena

..ich liebe diesen Bericht...er erinnert mich mein erstes und längstes Projekt im Forschungszentrum im Festkörperinstitut (IFF)....mit einem E-Technik-Ingenieur haben wir ein Projekt für einen Physiker elektronisch unterstützt...es ging um eine Fenstersteuerung für eine Reinkristallzucht...nur eine Firma in Japan hat die gleiche Qualität von "Reinstkristallen" erreicht...

...besonders in meinem jetzigen Institut ist das Verständnis von Grenz- und Phasenschichten enorm wichtig, denn nur so kann man die Austauschprozesse verstehen und effektiv planen und teilweise auch simulieren...

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