Freitag, 20. Juli 2007

Studium und Drogen

Am Morgen total verkatert aufgewacht. Schon elf, Mist! Erst mal einen Kaffee und eine Zigarette. Nach dem stressigen Semester kommen jetzt noch die ganzen Klausuren. Den großen Leistungsdruck kompensieren nicht wenige mit Alkohol, Zigaretten, Haschisch oder anderen Drogen. Hier ein Feierabendbierchen mit Freunden in der Kneipe, da ein Rotwein in der WG-Küche in gemütlicher Runde, ab und zu mal ein Joint – das kann ja nicht so schlimm sein, oder? Den wenigsten ist aber bewusst, dass die Drogen bereits fest zu ihrem Alltag gehören.

„Ich kenne etliche Kommilitonen, die kiffen“, sagt Anja, Geographiestudentin aus Hamburg. „Was ich aber noch schlimmer finde, ist das Saufen. Warum kann man sich nicht mal abends treffen, ohne was zu trinken?“ Ob in der Kneipe nach dem Seminar, oder zu Hause vor dem Fernseher – für viele Studenten ist Bier oder Wein allgegenwärtig. „Früher in der Schule, da hat man mal am Wochenende was getrunken, oder bei einer Geburtstagsfeier. Seit ich angefangen habe zu studieren, trinke ich fast täglich was. Auch zum Abendbrot in der WG genehmigen wir uns oft ein Bierchen“, sagt Tim, der seit zwei Semestern BWL studiert. „Ich habe mir da noch gar keine Gedanken drüber gemacht, ob das nicht schon zu viel sein könnte.“

Auch auf Institutsfeiern und anderen Uni-Events gehört Alkohol ganz klar dazu. Manchmal stapeln sich vor den Mülltonnen der Unis Bier- und Weinflaschen, so als täte die Intelligenz nichts weiter, als sich den Kopf zuzudröhnen. Besonders an Kunsthochschulen gehört Drogenkonsum scheinbar zum guten Ton. „In meinem Studiengang gehört man zur Minderheit, wenn man nichts einnimmt oder trinkt“, so eine Kunststudentin aus Berlin. „Bei meiner Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule, hatte der eine Prof morgens um 9 schon eine üble Fahne. Die Ateliers in meiner Hochschule sehen aus wie `ne Kneipe oder wie ein Altglascontainer für leere Bierpullen.“

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen rät, als Mann nicht mehr als einen halben Liter Bier am Tag zu trinken, bei Frauen ist es die Hälfte. Zwei alkoholfreie Tage in der Woche sollten zusätzlich eingelegt werden.

Sehr hartnäckig hält sich auch das Klischee vom dauerbekifften, faulen Studenten. Rastagelockt chillt er in der Hängematte, lässt fünf gerade sein und beginnt den Tag mit dem Motto „Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund.“ Eine Studie der Katholischen Fachhochschule NW von 2003 hat aber ergeben, dass Studis eher Gelegenheits-Kiffer sind: circa 30 Prozent nehmen weniger als 16 Mal im Jahr Cannabis zu sich, nur etwa 7 Prozent mehr als 40 Mal pro Jahr. Auch sonst ist es mit dem Faulenzen an den Unis nicht weit her.

Etwas mehr Müßiggang täte den gestressten Studenten sogar gut. Denn immer mehr Studierende leiden nach Aussage des Deutschen Studentenwerks am Burn-Out-Syndrom – eine Krankheit, die eigentlich für Manager typisch ist. Klausuren, Leistungsdruck, Praktika, Sprachen lernen und neben der Uni noch Jobben – da kann man sich schnell übernehmen. Um abzuschalten und zu entspannen ist der Griff zu Droge für viele Studenten selbstverständlich.

Eine aktuelle Studie der Uni Marburg, für die rund 1300 Studienanfänger in den Fächern Jura, Medizin und Lehramt befragt wurden, kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Knapp zwei Drittel der Erstsemester bekennen sich zu regelmäßigen Besäufnissen, rund ein Drittel raucht. Dazu kommt eine generell ungesunde Lebensweise: zu wenig Obst und Gemüse, zu wenig Bewegung. Am häufigsten sprechen angehende Juristen dem Alkohol zu, bei gleichzeitig geringster körperlicher Betätigung.

Die Lehramtskandidaten traten durch die höchste Raucherrate und den niedrigsten Verzehr von Obst und Gemüse hervor. Auch angehende Mediziner, die es eigentlich besser wissen müssten, leben nicht gesünder als ihre Kommilitonen. Ein besonderer „Risikofaktor“ ist das WG-Leben. Wer in einer WG wohnt, schlage laut der Marburger Studie etwa dreimal häufiger über die Stränge als Kommilitonen, die sich die Wohnung mit Freund oder Freundin teilen oder die noch bei ihren Eltern leben.

Trotzdem findet man so gut wie keine Suchtberatungsstellen für Studenten an den Unis. „Speziell Drogen oder Suchtberatung wird von den Studentenwerken nicht angeboten“, sagt Regina Engelhardt, Sozialberaterin des Studentenwerkes Leipzig. Sie gehe davon aus, dass das kommunale Beratungsnetz eng genug sei, so dass Studierende mit Drogenproblemen Hilfe gar nicht von der Uni oder dem Studentenwerk erwarten, sondern gleich diese Beratungsstellen aufsuchen würden. Doch das muss nicht unbedingt stimmen. Denn die Studenten sind sich der Risiken ihres ungesunden Lebenswandels oft gar nicht bewusst. „Meist kommen sie mit allgemeinen Problemen wie Lernblockaden oder Stress zu den Beratern“, sagt Anne Pauly, die über das Thema Suchtverhalten bei Studierenden promoviert hat. „Oft wird dann verschwiegen, dass regelmäßig getrunken oder gekifft wird."

Es gibt zwar vereinzelte Angebote an den Unis, die beispielsweise in die Psychologische Beratung oder die Sozialberatung integriert sind. Aber im Großen und Ganzen sei das Thema nicht populär, so Pauly. Für weiterführende Studien und die Entwicklung von studentenspezifischen Suchtberatungsangeboten hätte es deshalb auch keine Mittel mehr gegeben.

Auf diese Weise studieren sich viele in einen ungesunden Lebenswandel hinein, ohne Absicht das zu ändern. Wer als Medizinstudent schon raucht und am Feierabend gern mal einen hebt, wird später als Arzt im hochstressigen Alltag wahrscheinlich weiterhin versuchen, auf diese Art Stress abzubauen. Und wird vielleicht Anwälte, Lehrer und Sozialwissenschaftler behandeln, die das gleiche Problem haben.

Quelle: Autorin: kat : Unister.de


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