Freitag, 8. Juni 2007

Friedrich Hölderlin

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

Zornige Sehnsucht

Ich duld es nimmer! ewig und ewig so
Die Knabenschritte, wie ein Gekerkerter
Die kurzen vorgemeßnen Schritte
Täglich zu wandeln, ich duld es nimmer!

Ists Menschenlos - ists meines? ich trag es nicht,
Mich reizt der Lorbeer, - Ruhe beglückt mich nicht,
Gefahren zeugen Männerkräfte,
Leiden erheben die Brust des Jünglings.

Was bin ich dir, was bin ich, mein Vaterland?
Ein siecher Säugling, welchen mit tränendem,
Mit hoffnungslosem Blick die Mutter
In den gedultigen Armen schaukelt.

Mich tröstete das blinkende Kelchglas nie,
Mich nie der Blick der lächelnden Tändlerin,
Soll ewig Trauern mich umwolken?
Ewig mich töten die zornge Sehnsucht?

Was soll des Freundes traulicher Handschlag mir,
Was mir des Frühlings freundlicher Morgengruß,
Was mir der Eiche Schatten? was der
Blühenden Rebe, der Linde Düfte?

Beim grauen Mana! nimmer genieß ich dein,
Du Kelch der Freuden, blinkest du noch so schön,
Bis mir ein Männerwerk gelinget,
Bis ich ihn hasche, den ersten Lorbeer.

Der Schwur ist groß. Er zeuget im Auge mir
Die Trän, und wohl mir, wenn ihn Vollendung krönt,
Dann jauchz auch ich, du Kreis der Frohen,
Dann, o Natur, ist dein Lächeln Wonne.



* der Autor --------------------------------------
geb. am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar, besucht Kloster-
schulen in Denkendorf u. Maulbronn, dort bereits erste
dichterische Versuche, beeinflusst von Christian Daniel Schubart,
Edward Young, Friedrich Gottlieb Klopstock und Friedrich von
Schiller, anschließend Theologiestudium in Tübingen, verfasst
anfangs Hymnen die unter dem Eindruck intensiven Naturerlebens
stehen, später mischen sich, resultierend aus den Ereignisen der
Franz. Revolution, unterstützt von seinen Freunden Schelling und
Hegel, zu dem idealistisch-politische Töne in seine Dichtung,
1790 Magisterexamen, 1794 Begegnung mit Schiller, Hofmeister bei
Charlotte von Kalb in Weimar, 1796 Hauslehrer bei dem Frankfurter
Bankier Gontard, tiefe Zuneigung zu dessen Frau Susette, 1798 Bruch
mit den Gontards, es folgen Jahre rastloser Wanderschaft u. innerer
Unruhe, 1807 wird er nach einjährigem Aufenthalt in der Tübinger
Heilanstalt als unheilbar entlassen, die restlichen vier Jahrzehnte
seines Lebens fristet er geistig umnachtet unter der Obhut einer
Tischlerfamilie, er stirbt am 7. Juni 1843 in Tübingen.

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