Freitag, 5. Oktober 2007

Paul Fleming (1609-1640) Tugend ist mein Leben

Tugend ist mein Leben /
der hab' ich ergeben /
den gantzen mich /
Tugend wil ich ehren /
Tugend wird mich lehren /
was sie selbst kan mehren /
Sie wächst durch sich.

Nicht deß Weges länge
noch deß Pfades enge
schreckt mich davon.
Laß die Dornen stechen /
Füß' und Kleider brechen /
Sie wird alles rechen /
durch ihren Lohn.

Weil die andern karten /
Lust und Schlaffes warten /
so säum ich nicht.
Itzt ist zeit zu eilen /
dem wird alles feilen /
der sich wird verweilen /
und itzt verbricht.

Alles ander' alles
hat die Art deß Palles /
der steigt und fällt.
Schätze haben Flügel.
Ehre läßt den Zügel /
Lust kommt aus den Bügel.
Die Tugend hält.

Hab' ich Gott und Tugend /
So hat meine Jugend /
was sie macht wehrt.
Diese schönen beyde /
wehren allem Leide /
lieben alle Freude
So man begehrt.

* der Autor ................................................
geb. am 5.10.1609 zu Hartenstein (Sachsen), 1623 Schüler der Thomasschule Leipzig, Studium der Medizin sowie schöngeistige u. philosophische Studien, Ende 1631 wird er zum Dichter gekrönt, 1632 Magister, orientalische Reisen, veranstaltet vom Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp, nach Beendigung der zweiten Reise (Oktober 1639) geht er nach Leiden und wird Doktor der Medizin er stribt auf der Rückreise in Hamburg am 2.4.1640.

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Weil die andern karten /
Lust und Schlaffes warten /
so säum ich nicht.
"Weil die anderen Karten, Lust und Schlfaffes warten..." und "Lust kommt aus den Bügel"...sehr schön formuliert ;-) erinnert mich stark an das gestrige Gespräch mit dem Diplomierten Maschinenbauer, BWLer und Versicherungsvertreter: über Motivation im Studium, Konsequenz, Drückeberger, Schmarotzertum im Deutschen Sozialsystem und Mißbrauch von Sozialleistungen, Fleiß und Zielstrebigkeit vs. Dolce Vita und "in den Tag hineinleben" - war mal wieder die ganze Palette an Kritikpunkten, die man schon dutzend male gehört hat, diesmal aber mit Beispielen aus dem Alltag belegt. Doch jede Kritik und sei sie noch so berechtigt, misst sich an ihre Anwendbarkeit und Verständlichkeit...insgesamt bleiben tiefe Zweifel, ob das Leistungsprinzip, nach dem diese Menschen vorgehen, und die allermeisten des Rests auch, überhaupt noch Sinn und Zweck hat im Zeitalter des Raubbaus an der Natur - diese Ratschläge sind selbstverständlich und sehr wertvoll und nützlich für das persönliche erfolgreiche Weiterkommen, sie versagen aber in der Frage: wie wird eine Gesellschaft sich entwickeln und wie kann der einzelne Menschen im Kollektiv so glücklich werden, ohne den anderen zu schaden ? Es reicht nicht mehr aus, nur immer auf sich zu schauen, konsequent seine Karriere zu gestalten, dieses Denken hat uns alle an den Abgrund gebracht. Es gilt aber nach wie vor hier in Deutschland: willst Du etwas sein, musst Du gezeigt haben, dass Du beruflich und das auch möglichst schnell etwas geschafft und vernünfige Vorsorge getroffen hast...diese Art von Denken mag plausibel und pragmatisch im Rahmen einer kapitalistischen Welt erscheinen, in Wirklichkeit ist es ein System, dass nur Verlierer und Gewinner kennt und schafft..entsprechend ist auch diese Denk- und Handlungsweise der sogenannten "Erfolgreichen": stereotyp und teilweise anmaßend und besserwisserisch, und im stillen Kämmerchen muss sich jeder einzelne entscheiden, auf welcher Seite er gehören will: "winner or looser" - das ist das Traurige und Arme in der so genannten "westlichen" Mentalität, die immer mehr auch den Rest der Welt ergreift: friss oder stirb - wie arm der kapitalistisch orientierte Mensch doch geworden ist - und über Mißbrauch im deutschen Sozialwesen kann man viel diskutieren - eins steht fest: es gibt schwarze Schafe überall, unten und oben - das ist nicht das eigentliche Problem - es ist die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich und die Polarisierung in den Punkten Geld, Bildung und Arbeit - wenn alle Abstufungen abgeschafft sind und es nur noch zwei Stufen gibt: arm oder reich, dann würde ich gerne noch mal mit all den Menschen diskutieren, die es geschafft haben, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen: sind sie jetzt wirklich glücklich und gesund ?

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