Montag, 18. Januar 2010

... sehr interessant, erster richtiger Kontakt mit Einheimischen: gegen 8h wird ca. 20m vor dem Parkplatz ein Bauwagen platziert. Denke mir, dass eine Baustelle hierhin kommt, das wäre also das Ende der himmlischen Ruhe ... anziehen, runter gehen und fragen (auch wg. Info für Milch kaufen + Abfallentsorgung) ... dort stehen schon einige Männer in Blaumann ... es stellt sich heraus: die Truppe kommt von AAFÖG (Arbeits- und Ausbildungsförderungsgesellschaft), die im Rahmen des ALG II die berühmten 1-Euro-Jobs durchführt. Die jetzige Arbeit besteht darin, direkt nebenan den verwilderten Seemannsfriedhof zu rekultivieren, sprich Buschwerk insbesondere Brombeersträucher klein zu schneiden, herabhängende Äste kürzen und einen alten Weg freilegen.

Das passt doch, mische mich unter die 1-Euro-Truppe, habe ja auch einen Blaumann + Arbeitsschuhe an: wir stapfen durch den Schnee und lauschen den Arbeitsanweisungen des Vorarbeiters ... am Bauwagen wieder angelangt sagt er zu mir: "Du gehörst aber nicht zu dieser Gruppe !!" Dann kläre ich ihn auf, was meine ehrenvolle Aufgabe ist ... das Stichwort aus dem RLD erfreut die Männer ungemein, und schon bekommt man, ohne groß zu fragen allerhand Informationen:
  • früher waren hier in der Ecke drei bis vier Freudenhäuser + etliche Kneipen, hier war mal richtig der Bär los !
  • der "Heringsfang" + erhöhte "Frachtgutbeförderung" (Erz, Kohle etc.) sorgten für einen viel intensiveren Durchgangsverkehr als heute
  • auf der anderen Straßenseite steht ein Seemannsheim für Matrosen, dort können sie sich aufhalten, trinken, essen, schlafen und ins Internet gehen !
  • das RLD lohne sich in dieser Ecke nicht mehr, es kommt eh' keiner mehr: die Remmi-demmi Zeiten seien vorbei !
  • einer meint: wenn er hier etwas aufmachen würde, müsste erst mal der private Parkplatz anonymer mit Sichtschutz gestaltet werden
  • der andere meint: besser es käme gar nichts mehr hierhin, dann hätten die Anwohner Ruhe. Früher waren Schlägereien und ähnliche Handgreiflichkeiten gar nicht so selten
Sie werden hier zwei Wochen lang von Mo-Do arbeiten,
  • Fr, Sa, So ist für die 1-Eurojobber Wochende
  • pro Stunde erhalten sie 1-Euro
  • Arbeitstag: 8-16h
weitere Infos:
  • zwei von ihnen waren vorher Autolackierer
  • der eine hat ca. 1-2 Jahre ALG II erhalten, danach kam diese Maßnahme; wer nicht kommt und arbeitet, erhält Leistungskürzung.
  • der andere sieht das Gewässer: "Aha, Strömung, das bedeutet, hier existieren Fische: dann nehme ich morgen meine Angel mit!"
  • einer sagt: "Immer noch besser, als zu Hause rumzuhocken !"; hat im Rahmen dieser Arbeitsmaßnahme schon in Schulen Decken angestrichen und Mauern hochgezogen. Der größte Teil aber bestand darin, in Wäldern und Parkanlagen Blätter ohne Ende zu rechen !
  •  im Sommer holt er wieder sein Motorrad aus der Garage, um schneller zum Arbeitsplatz zu gelangen.
    • Aldi und Lidl sind etwas weiter weg: ca. 2km.
    .. der Vorarbeiter geht mit einem Kollegen zum halboffenen Kleintransporter und will für den Bauwagen noch eine Heizung besorgen ... nachdem er weg ist, machen sie sich an die Arbeit ... der eine zum anderen: " ... und schön bis zum Boden schneiden, wie letztes mal !" ... der andere guckt etwas konsterniert: "Jo Mann, Können vor Lachen, bei dem Schnee !" So sehe ich die vier Männer nach 5min Arbeiten wieder in einem Kreis zusammenstehen und diskutieren, so richtig Lust hat wohl keiner bei der Kälte und im immer dichter werdenden Nebel !

    Fazit: ... ist schon eine Schnapsidee Leute für Garten- und Landschaftsarbeiten im tiefsten Winter im tiefen Schnee nach draußen zu schicken ... man kann da aber geteilter Meinung sein: einerseits gibt es weltweit genug "Schreibtischtäter", die nicht mal mehr wissen, was Schnee bedeutet. Andererseit haben der Zar, Stalin und die Kommunisten auch Menschen im tiefsten mörderischen sibirischen Winter draußen arbeiten und verrecken lassen, dagegen ist im Vgl. diese Arbeit hier im hohen Norden Deutschlands ein Kinderspiel !

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