Dienstag, 19. Januar 2010

"Land der Geister"

Delirien einer Familie und eines Landes 

entnommen aus:

dradio.de

 Besprochen von Gabriele von Arnim

Zitat:

Laura Restrepo: 
  • "Land der Geister",
  • Luchterhand Literaturverlag, 
  • 383 Seiten
"Land der Geister" von der Kolumbianerin Laura Restrepo ist ein Roman, der Parallelen zwischen der Gewalt in der Gesellschaft und in der Familie aufzeigt. Es geht unter anderem um Drogenhandel, Geldwäsche und Verlogenheit auf allen Ebenen.  

Kolumbien:
  • Drogenhandel, 
  • Geldwäsche, 
  • Bomben, 
  • gnadenlose Halunken, 
  • brutale Leibwächter, 
  • Wahnsinn und Verlogenheit auf allen Ebenen 
bis hinein in die sogenannten besseren Familien, die schmutziges Geld verprassen und ihre Seelen verwüsten. Selbst Pablo Escobar, der legendäre Mafiaboss aus Medellin, hat hier seinen Auftritt.

In unkundigen Händen hätte aus diesen Zutaten ein Thriller werden können, der in einem schmatzenden Klischeesumpf versinkt.
  • Doch Laura Restrepo ist intelligent und versiert. 
  • Sie kennt das Land, aus dem sie kommt und das sie aus politischen Gründen verlassen musste.
Und weiß, was es bedeutet, wenn die Kokainsucht der Welt ein Land wie Kolumbien in bürgerkriegsähnliche Verhältnisse treibt.
  • Sie weiß, wie der Rausch - rühre er nun von Drogen, Geldgier oder Machtbesessenheit - die Menschen brutalisiert und verletzt.
Wie die schöne Agustina zum Beispiel, die Heldin dieses Romans.
  • Die von den verborgenen und verschwiegenen Wahrheiten ihrer Familie in den Wahnsinn getrieben wird.
Um sich aus dem Klammergriff des Kartells zu lösen, hat sie sich einen linken Universitätsprofessor zum Gefährten erkoren, der nun mit Hingabe und Liebe versucht, seine Frau zu retten.
  • Der sich an das vermutete Familiengeheimnis heranfragt und gleich mehrere Lebenslügen in mehreren Generationen aufdeckt.
Da mag die Autorin ein wenig übertrieben haben in der Ansammlung von Scheußlichkeiten.
  • Und doch ist jede Geschichte für sich alles andere als unwahrscheinlich. Schrecknisse mit eingeübtem Betonlächeln zu kaschieren und wegzulügen, ist nicht allein eine südamerikanische Spezialität.
Laura Restrepo hat einen rasanten Roman geschrieben, der sowohl ein Familienroman ist als auch ein Porträt des Landes.
  • Der in vielen Milieus spielt und so spannend ist, dass man ihn nur ungern aus der Hand legt.
Die Geschichte wird mosaikartig erzählt - von der Erzählerin, von der (wohl geheilten) Agustina, von ihrem Mann Aguilar und ihrem Ex-Geliebten, dem Geldwäscher Midas McAlister.
  • Es gibt Tagebuchaufzeichnungen und Briefe von Agustinas Großeltern.
  • Oft unterbricht die Autorin die Erzählenden mitten im Satz, um diesen dann selber zu beenden. 
  • Dem Fluss der Worte schadet es nicht.
"Delirio" heisst der Roman im Original - und genau das ist es, was die Autorin umkreist: die Delirien einer Frau, einer Familie, eines Landes. Bewusstseinsstörungen.
  • Restrepo interessiert dieser Geisteszustand, in dem Normen und Regeln verrückt, Werte verworfen werden. "Land der Geister" heißt der Roman auf deutsch - und die Assoziation mit Isabel Allendes "Geisterhaus" aus vermutlich verkaufsfördernden Gründen ist inhaltlich blanker Unsinn. 
  • Denn nichts liegt der Autorin ferner als der viel gefeierte magische Realismus der südamerikanischen Literatur. Sie bleibt hart auf dem Boden der Wirklichkeit.
Was die psychologische Ebene nicht ausschließt.
  • Die verletzten Wesen, die sich in Trugbilder flüchten, die sich so fürchten vor Wahrheit und Schmerz, dass sie in ihren Seelenkerkern sitzen und jeden zu vernichten suchen, der an der Kerkertür zu rütteln wagt.
So viel sei zum Schluss des Romans verraten: Er endet mit weniger Wahnsinn als er beginnt, lässt Hoffnung zu und Zuversicht.

Laura Restrepo: Land der Geister
  • Aus dem kolumbianischen Spanisch von Elisabeth Müller
  • Luchterhand Literaturverlag München 2009,
  • 383 Seiten, 9 Euro

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