Sonntag, 9. November 2008

Abschotten kann sich keiner mehr - von Wulf Schmiese

Quelle: FAZ, Freitag, 7. November 2008

Zeitgeschehen

Nicht nur in Finanzkrisen müssen die Kommunen künftig die Hauptlast tragen

Berlin, im November

Die Finanzmärkte sind sozusagen global abgestürzt, lokal jedoch werden die Auswirkungen unterschiedlich sein. Hochverschuldete Städte wie Bochum berichten schon über ihr eigenes Krisenmanagement, und Regionen in Florida und Spanien müssen nach ihren jeweiligen Möglichkeiten auf den zusammenbrechenden Immobilienmarkt reagieren.

Die weltweite Krise ist einerseits ein zentrales Problem eines jeden Landes, andererseits aber müssen ihre Folgen kommunal bewältigt werden. Das wiederum führt zu selten gestellten Fragen: Welche politischen Spielräume haben Städte und Kommunen, also die untersten Verwaltungseinheiten (und somit die exekutive Gewalt) ! Und wie kann die Globalisierung kommunal gestaltet werden ?

Im April 2007 verabschiedeten die Vereinten Nationen "Leitlinien zur Dezentralisierung und Stärkung der Kommunen". Diese Resolution halten viele Lokalpolitiker in aller Welt für sehr bedeutend, weil es der erste weltweite Aufruf zur Mehrung von lokaler Demokratie ist. Die Leitlinienen fordern politische Dezentralisierung somit auch in zentralistischen Staaten, in denen Föderalismus unbekannt, gar unerwünscht ist. Die UN-Resolution ruft dazu auf, alle Völker auf kommunaler Ebene in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Sie fordert die Demokratie an den, wie die Amerikaner sagen (alle Amerikaner, nur die US-Amerikaner, die Nordamerikaner ?) Graswurzeln.

Zudem wird der Grundsatz der Subsidiarität als Ziel genannt, was für UN-Verhältnisse als kühn bezeichnet werden darf. Nach diesem Prinzip sollen öffentliche Aufgaben, die nicht notwendigerweise zentral von Staats- oder Landesregierungen erfüllt werden müssen, kommunal angegangen werden. Gefordert wird eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen, ohne die kommunale Selbstverwaltung unmöglich ist.

Die UN-Leitlinien zur Stärkung der Kommunen haben einen Vorlauf von Jahrzehnten politischer Mühsal, ihr Ursprung liegt im Europa der Nachkriegszeit. 1953 haben auf einem Gemeindetag bei Paris mit der "Charta von Versailles" Vertreter von Städtem und Gemeinden aus 16 europäischer Nationen, darunter Deutschland - erstmals internationale Forderungen für mehr kommunale Selbstverwaltung aufgestellt.

Es dauerter jedoch weitere drei Jahrzehnte, bis die Kerngedanken daraus in Form einer "Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung" 1988 durch den Europarat völkerrechtlich in Kraft traten. Viele nationale Regierungen verbaten sich internationale Regelungen meist mit dem Argument, auf Nichteinmischung in innere Angelegenheiten bestehen zu wollen.

Inzwischen haben 43 der 47 Mitgliedstaaten des Europarats die Konvention ratifiziert. Das verpflichtet sie allerdings nicht, die ganze Charta umzusetzen, wohl aber, ihre Grundsätze zu achten. Ähnliches gilt auch für die zwei Jahrzehnte später verabschiedete UN-Resolution. Der vormalige Oberkreisdirektor von Steinfurt in Nord-Rhein-Westfalen, Heinrich Hoffschulte, der als Mitglied des UN-Beirats der Kommunen maßgeblich die Resolution vorbereitet hatte, sagt, sie habe ebenfalls "Menücharakter"; es stehe den Staaten also frei, sich zu bedienen oder nicht. Dennoch trage die Resolution zur weltweiten Bewusstseinsbildung bei, weil Vertreter von 100 Staaten über sie diskutiert und sie schließlich verabschiedet hätten.

Antrieb bekam die Diskussion durch dramatisch klingende Zahlen über Wandersbewegungen auf der Welt, durch die die Städte massiv wachsen werden. Wegen zunehmender Landflucht in den Entwicklungsländern wird erwartet, dass sich innerhalb der kommenden 30 Jahre die Bevölkerung der Städte dort verdoppeln wird: "In jeder Woche der vor uns liegenden Jahre müsste die Planung, Finanzierung und Schaffung von Dienstleistungen für eine weitere Millionenstadt entstehen", mahnt Hoffschulte.

Zugleich wird etwa in Deutschland wegen der demographischen Entwicklung mit stark abnehmender Bevölkerungsdichte gerechnet. Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Thüringen würden bis zum Jahre 2050 - auch wegen der Abwanderung - über 30 Prozent ihrer Bewohner verlieren, errechnet das Statistische Bundesamt. Selbst für Metropolen prognostizieren die Statistiker ein Schrumpfem, im Falle Hamburgs um fünf Prozent, in Berlin sogar um 14 Prozent seiner jetzigen Einwohnerzahl.

Das bedeutet für Kommunen der Entwicklungsländer wie auch der Industriestaaten enorme Schwierigkeiten. In Städtenn der hochentwickelten Welt wird sich die Bevölkerung wegen der Einwanderung strukturell in einem Maße verändern, dass ohne gründliche kommunalpolitische Vorbereitung die Zugezogenen schwer integriert werden können. Damit befasste sich kürzlich auch die 13. Metropolis Konferenz, die in Bonn, am einzigen deutschen Standort, tagte.

"Die Welt ist heute ein großes Migrationssystem. Kein Land, keine Stadt und kein Dorf kann sich mehr abschotten", sagte der Gastgeber der Konferenz, Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Entwicklungs-, Einwanderungs- und Kommunalpolitik müssten schon deshalb ineinandergreifen.

Aus der "Migrationsforschung" sei bekannt, dass die Ärmsten der Armen viel zu schwach seien, um global zu wandern, sagt Laschet. "Es sind gut ausgebildete Städter, die sich zutrauen, die beschwerliche Wanderung gen Norden auf sich zu nehmen." In Europa fänden sie aber oft keine Arbeit. "Das Potential dieser Menschen dürfen wir nicht brach liegen lassen. Viele Hochqualifizierte, die wir händeringend für unsere Wirtschaft suchen, sind schon da", sagte Laschet.

Die Folgen der Finanzmarktkrise für die verschiedenen Regionen auf der Welt wie auch die absehbare Wanderungsbewegung über nationale Grenzen hinweg in die Städt wird die Kommunen zwingen, ihre Macht gegenüber den jeweiligen Zentralregierungen zu stärken. Die bisher noch unverbindlichen Leitlinien für Regierungen auf lokaler Ebene könnten dafür eine Grundlage sein.

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Fazit:

Wieviele Jahr musste ich auf einen solchen Bericht warten, der fast schon eine Binsenwahrheit ausspricht => Kommunalpolitik: Demokratie und Föderalismus in seiner wahren und bürgernahen Form und Ausprägung ! "

Es schließt sich endlich ein gedanklicher Kreis, den ich als 15jähriger begonnen habe. Mit 15 von Jakarta, einer Millionenmetropole in die sich wandelnde Bergbaustadt Alsdorf (Rhl.) gekommen. Wie ein Magnet hat mich die Kommunalpolitik angezogen, leider hat es nur für zahlreiche Besuche von "Öffentlichen Ausschüssen", Lesen von vielem "Öffentlichem Material" und "Ankündigungen und Informationen auf Schwarzen Brettern" gereicht. Der manchmal beleidigende und auch völlig unangemessene Umgangston in den "Öffentlichen Ausschüssen" und die sehr einseitige Diskussionskultur aufgrund des Parteizwangs haben mich dann doch schließlich wieder auf die Sportplätze und in die diversen Lehrgänge der VHS vertrieben.

Höhepunkt der Erkenntnis war, dass mein ehemaliger Vermieter aus Nideggen, ebenfalls Kommunalpolitiker, einmal sagte: "Mag sein, dass die Kommunalpolitik auch ihre Reformen und Kritiker braucht, aber schaut man sich die Politiker auf Landes- und Bundesebene an, so ist es schon seit langem untragbar, dass diese durch einige Schnellentscheidungen, geboren aus populistischen Gründen, viel mühsame und beschwerliche Arbeit in der Kommunalpolitik auf einen Schlag zerstören."

Jakarta und Paris sind Hauptstädte und damit nur ein Beispiel der vielen zentralistisch gelenkten Staaten und Regierungen: man fühlt und lebt sozuagen die Bevorzugung der Hauptstadt und ihrer nächsten Umgebung gegenüber vom Rest des Landes. Solche Staaten müssen noch viel tun, damit dieser Unsinn aufhört, denn Spannungen sind dadurch vorprogrammiert, die oft genug in bürgerkriegsähnlichen Katastrophen enden.

Kommt man also von diesen Metropolen in eine kleine Bergbaustadt, dann fühlt und sieht man die Kommunalpolitik, den Strukturwandel den diese Stadt neben vielen anderen Städten durchmacht, man erkennt den Wert von Bebauungsplänen, die Notwendigkeit eines Katasteramts und vielen "nervigen" Regularien (=> einige sollten man wirklich abbauen und vereinfachen, sonst geht der Schuss nach hinten los ... die Folgen eines überwuchernden Bürokratismus zeigen sich in der Erlahmung der Motivation der Menschen, und dort wo Passivität sich ausbreitet entstehen Machtvakuuen, die wiederum missbraucht werden können).

Man sieht hin und wieder auch Kommunalpolitiker auf diversen Veranstaltungen, im öffentichen Leben oder eben in den Ratssitzungen. Man fühlt sich involvolviert, auch wenn man immer etwas zu meckern und zu beanstanden hat (oft genug mit Recht). Natürlich ist auch der Filz, der Klüngel und die Vetternwirtschaft nie weit, aber ein egomanes und "in die eigene Tasche wirtschaften"-Verhalten hält sich in Grenzen und ist überschaubar, was man auf Landes- oder Bundesebe nicht behaupten kann, denn wer kontrolliert dort die verantwortlichen Politiker ???

Kommunalpolitik fordert die Menschen auf, sich wenigsten mit ihrer nächsten Umgebung auseinanderzusetzen und sich zu informieren, egal wo man herkommt, Meckern und Kritisieren kann jeder. Es bleibt nur zu hoffen, dass auch ausländische Studenten wenigstens ein Stückchen von kommunaler Selbsverwaltung und Selbstverständnis in ihr Heimtatland mitnehmen, es sei denn, sie entschließen sich für ein endgültiges oder vorübergehendes Leben in Deutschland.

Wenigsten kann ich hier in diesem Zusammhang den Wert und von den Nazis missbrauchten Satz anwenden und unterstreichen => "Am Deutschen Wesen, soll die Welt genesen" oder auf gut Deutsch: "Die kommunale Selbstverwaltung, abgesichert durch die Verfassung und kontrolliert durch höhere Instanzen und Gremien auf Landes- und Bundesebene, ist die (!) bürgernahe Politik, die das friedliche Zusammenleben von Menschen garantiert und sichert".

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