Sonntag, 9. November 2008

Was bei der Obama-Wahl häufig übersehen wird

von Daniel Wilhelmi

Ich will nur dieses Mal auf die US-Präsidentenwahl eingehen. Denn Sie haben inzwischen 100fach darüber gelesen und gehört. Ich möchte Sie aber auf einen Punkt hinweisen, den viele Leute, mit denen ich gesprochen habe, falsch einschätzen. Sie sehen Obama aus europäischer Sicht. Wie schon Bill Clinton vor ihm, ist Obama im Ausland aber wesentlich beliebter als in den USA.

Lassen Sie sich von dem klaren Sieg bei den Wahlmännerstimmen nicht täuschen. Obama hat zwar mit 349 zu 163 Wahlmännerstimmen den Republikaner McCain unerwartet deutlich geschlagen. Aber das verzerrt das wirkliche Bild im Land: Die absolute Mehrheit der Stimmen lag nur bei 52% für Obama zu 46% für McCain. Sprich: Wenn wir 100 Amerikaner in einen Raum sperren, dann sind nur 52 davon für Obama. Nicht gerade eine große Mehrheit. (nein, wahrlich nicht, das war auch bei Bush schon so: bei dem sogar noch schlimmer, weil der weniger Stimmen auf sich vereinigt hat als sein Kontrahent und trotzdem an die Macht gekommen ist)

Das ist ein völlig anderes Bild als im Ausland, wo Obama fast wie ein Heiliger gefeiert wird und wo Umfragen in Europa ergaben, dass bis zu 80% der befragten Europäer Obama wählen würden (mich eingeschlossen, aber mich fragt ja keiner...).

Obama hat zwar die Mehrheit im Kongress und Senat hinter sich, aber die absoluten Wahlzahlen zeigen, dass seine Unterstützung nicht so gewaltig ist, wie im Ausland fälschlicherweise angenommen wird. Es wird für ihn schon in 2009 und 2010 sehr schwer werden, radikale Veränderungen durchzuführen.

Denn in 2 Jahren finden schon die nächsten Wahlen für den Senat und den Kongress statt. Auf regionaler Ebene, wo die Wahlbeteiligung in den USA traditionell noch niedriger ist, wird Obama aber kaum in der Lage sein, die Nichtwähler in einer ähnlichen Größenordnung zu mobilisieren wie jetzt. Deshalb werden die demokratischen Senatoren und Kongressabgeordneten, die in 2 Jahren zur Wahl stehen, den Teufel tun, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Achten Sie auf diese Branche

Ich gehe deshalb davon aus, dass er im kommenden Jahr primär auf Themen setzen wird, welche die Amerikaner parteiübergreifend vereinen. Das sind Themen wie das erwartete Konjunkturprogramm, Energie oder alternative Energien. Deshalb halte ich den amerikanischen Energie-Sektor auch für aussichtsreicher als den weltweiten Sektor. Das gilt vor allem für den Gas-Sektor.

In den USA werden die Stimmen immer lauter, die nach einem massiven Ausbau des amerikanischen Gassektors schreien. Kein Wunder: Die USA haben die sechstgrößten Erdgasreserven der Welt. Ein aggressiver Ausbau der Gasproduktion und eine bessere Verteilung im Land ist einer der Wege, um die Abhängigkeit von ausländischem Öl zu reduzieren.

Hier hilft zudem, dass diese Theorie von mächtigen und einflussreichen Leuten wie dem Multi-Milliardär Boone Pickens aktiv unterstützt wird. Ich rechne deshalb mit einer „Sonderkonjunktur" für den amerikanischen Gas-Sektor - auch wenn die allgemeine Stimmung für den Energiesektor derzeit alles andere als bullisch ist.

Aber das sind Börsen-Situationen, wie ich sie liebe: Selbst wenn der Energiesektor in Zukunft ein Underperformer sein wird (was meiner Meinung nach sowieso nur maximal mittelfristig der Fall sein wird), so bieten amerikanische Gaswerte aufgrund der Sondersituation trotzdem Kurspotential. Und wenn der Energiesektor widererwartend plötzlich doch anspringt, dann profitieren die US-Werte sowieso. Eine Konstellation mit vielen Chancen und moderatem Risiko.

Have a successful day

Thu, 6 Nov 2008

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was mir in der Sache viel wichtiger erscheint, ist dass Obama weltweit viel beliebter als sein Konkurrent war, wenn es um junge Wähler und vor allem auch um die Webnutzer geht, dazu lesenswert ist das buch von Pro Dialog: http://prodialog.org/content/publikationen/buecher/obama ...bei den konservativen Amerikaner, die natürlich noch eine deutliche Kraft in dem Land sind, war er natürlich unbeliebter. Aber die sterben langsam aus, denke ich.

Schüler hat gesagt…

Vielen Dank für den Kommentar ;-)

Was mich anbelangt, ist für mich die nächsten 10-20 Jahren schnurzpiepegal, wer amerikanischer Präsident ist ... die US-Amerikaner haben dreimal einen Präsidenten aus der Familie Bush gewählt und zweimal die historische Chance vertan, eine vernunftsorientierte Person als Regierungs-Chef aufzustellen, nämlich Hillary Clinton und Al Gore, als Obama noch gar nicht auf internationaler Bühne zur Debatte stand ... ich kann verstehen, wenn man einmal eine schwere Figur im Spiel der Geschichte opfert, aber zweimal hintereinander ??? Da sage ich zu mir: da ist was faul im Staate Dänemark !

Der einzige Mensch, mit dem ich fast völlige Übereinstimmung bezüglich Kommunal- bis Weltpolitik habe, ist mein Vater => ich bin froh, dass er sehr lange im Ausland tätig war, und somit weit über den deutschen Tellerrand schauen kann. Wir haben sachlich und ohne unnötige Emotionen über die Machtverhältnisse gesprochen und sind uns über einige Betrachtungsweisen einig, auch wenn er damals noch nicht so recht glauben wollte, dass die USA einen längst geplanten Rachefeldzug gegen Irak starten würde nach dem 11.September !

Aber wer einmal die versteckte und offengelegte Hegemonialpolitik der US-Amerikaner verstanden hat, der lässt sich auch nicht mehr von so manchen weltfremden Fernsehnachrichten übertölpen und manipulieren.

Habe vor etlichen Jahren ein Buch gelesen (leider den Titel vergessen), indem klar und deutlich ein Bild gezeichnet wird, in dem wir alle live den Untergang einer Supermacht miterleben. Ein Gigant hat sich verzettelt, und gemeint, im Alleingang die Geschicke dieser Welt regeln und regulieren zu können, wie schon erwähnt, im Heimlichen als auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Was für den kleinen Mann gilt, gilt auch für große Staaten: wer nicht aufpasst und sich überschätzt, kann vom hohen Ross fallen ! Für mich waren alles entscheidende Erkenntnisse:

a) die ganze Finanzwelt hat jahrzehntelang in die USA kräftig investiert, immer mit der Hoffnung, Profit von diesem scheinbar starken Zugpferd zu erhalten. Sicherlich haben viele davon profitiert, aber den letzten beißen die Hunde !

b) nach wie vor kommen die meisten Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland und nicht aus den eigenen Reihen. Wie denn auch, wenn ein Bildungssystem nur zum größten Teil den Reichen die Chance zu einer akademischen Laufbahn ermöglicht wird ?

c) nichts in ein gerechtes Gesundsheitssystem investiert, auch nicht in Zeiten, wo die Finanzkraft es erlaubt hätte.

d) der krasse Gegensatz zwischen einem in meinen Augen sehr vernünftigen US-amerikanischen Justizsystem (Schande über die Reporter und Boulevardpresse, die alle nur verzerren) in dem ein sogenanntes Laiensystem in Kombination mit einem "Schieds"-Richter die Urteile fällen, und der Todesstrafe.

e) das sehr liberale Waffengesetz

f) die jahrhundert alte Schuld gegenüber den Indianern nach wie vor unzureichend ausgeglichen und entschädigt.

Was die einzelnen US-Bundesstaaten anbelangt, so bewundere ich natürlich deren Föderalismus, auf nationaler Ebene allerdings betrachte ich nicht mit Freuden, wie sich die US-Amerikaner darstellen: zu protzig, zu selbstsicher und zu sehr von sich eingenommen.

Man kann natürlich auch die Dinge, gerade was die USA anbelangt anders darstellen, aber Obama hat so oder so jetzt ein superschweres Amt auszuführen ... aber wie schon erwähnt, es berührt mich nur am Rande: jetzt heißt es China genau auf die Finger zu schauen, denn wenn die weiter so ihren Raubkapitalismus fortführen, anstatt eine gemäßigte liberale Wirtschaftpolitik einzuführen, dann braucht man sich im Grunde genommen über die Rettung dieser Welt gar nicht erst unterhalten.

Ach so, und dann gibt es noch die Russen: mir tut das russische Volk leid, dass die, nachdem Russland das Wettrüsten verloren haben, einen Despoten nach dem anderen erleben, anstatt Zeit zu gewinnen, um sich die Wunden zu lecken.

Vielen Dank auch noch mal für Ihren Link oben erwähnten Link !