Sonntag, 8. März 2009

"Die Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja"

Ein Artikel zu viel





Am 7. Oktober 2006, dem Geburtstag von Vladimir Putin, wird die russische Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau erschossen. Ihr Tod ist für die Familie eine Katastrophe - aber er ist zugleich ein politischer Akt. Zusammen mit der Vorgeschichte ist er dazu geeignet, eine Bilanz der Präsidentschaft Putins zu ziehen. Diese geht Anfang März 2008 zu Ende, wenn die Wahl eines Nachfolgers erfolgt.

"Ein Artikel zu viel" zeichnet anhand exklusiver Archivaufnahmen und ebensolcher Kontakte sowie Sequenzen den persönlichen und politischen Weg von Anna Politkowskaja nach. Auch fasst der Film den neusten Ermittlungsstand zusammen, von offizieller wie von oppositioneller Seite. So entsteht eine große Nähe zur Protagonistin und ein politisches Porträt.

Regisseur Eric Bergkraut verfügte durch seinen Vorgängerfilm "Coca", in dem Anna Politkowskaja eine Schlüsselfigur spielte, über drei bis vier Stunden exklusives Drehmaterial. Es zeigt die Journalistin sowohl privat als auch auf der Bühne in Moskau und in Genf. Es handelt sich dabei um einen einzigartigen Schatz, denn Anna Politkowskaja war ein reservierter Mensch.

Ergänzt werden die Sequenzen durch Interviews mit Weggefährten wie z. B. dem ehemaligen Schachweltmeister Kasparov, durch Statements der offiziellen Untersuchungsorgane - sowie durch intime Aussagen aller wesentlichen Familienmitglieder: der Tochter, dem Sohn und der Schwester sowie dem Ex-Mann.

Der Zuschauer wird durch die Bilder, die mit dem Mord zusammenhängen, ein Stück russischer Gegenwart verstehen können - durch die Bekanntschaft mit dieser konsequenten, aber auch sanften Dame. "Ja, es ist ein Wunder, dass ich noch da bin. Etwas muss mich auf der Erde zurückhalten." (Anna Politkowskaja im März 2004)

(Quelle: tvtv.de, 3Sat, 11:30h)


Leider nur die letzte Viertelstunde von dem Aufklärungsfilm gesehen, eingestiegen in die Sendung mit den Bildern eines Präsidenten in Tschetschenien von Putins Gnaden, ebenfalls verstrickt in Folter, Ermordung und Korruption. Handykameras machen es möglich, Getötete und Gefolterte mit schrecklichen Entstellungen aufzuzeichnen und zu dokumentieren.
  • Putins Geburtstag ist der 1. Todestag der Journalistin
  • Sie selber hat immer mit ihrem Tod gerechnet, so wie ein Soldat sich auf seinen eigenen Tod einstellt. Sie selber hat keine Angst vor dem Tod geäußert.
  • Ihr war Putin als Person egal, sie hegte keinen Hass gegen ihn, nur das was er an Verbrechen initiiert, ist menschenverachtend und juristisch anklagbar.
  • Auf einer Gedenkversammlung in Moskau wird noch mal darauf hingewiesen, welche Kräfte in Russland hinter der Ermordung stehen
  • Viele Journalisten sind sich einig, dass zu viele von ihnen in der Vergangenheit den Mund gehalten und somit die Last und die Gefahr der wahrheitsgemäßen Berichterstattung nur einigen wenigen überlassen haben
  • eine Journalistenkollegin auf dem Friedhof bedauert, dass sie ihre Kollegin nicht schützen konnte, wohlwissend, dass alle ähnlich engagierten Mitarbeiter immer sich in Todesgefahr befinden
zum Schluss bekommt der Zuschauer noch zwei bemerkenswerte Aussagen von der ermordeteten Anna Politkowskaja zu hören:
  • 1) Freiheit ist eine mühselige Arbeit
  • 2) in Russland herrscht ein weit verbreiterter Aberglaube, dass man die Dinge nicht aussprechen darf, die Unglück bringen. Sie praktiziere einen Kompromiss: vorsichtig die Menschen darauf aufmerksam machen, wer sie tyranisiert.

Fazit:

Je mehr man im Internet recherchiert, z.B die „Politische Ausladung bei der Buchmesse 1993 in Frankfurt", in der man ihre ein Podiumsrede verweigerte, wird einem immer mehr klar: das Mindestmaß an Respekt und Anerkennung für engagierte Menschen im In- und Ausland ist den Menschen völlig abhanden gekommen. Dies zieht sich durch von der Achtung des Ehrenamtes, über die Anerkennung der Dienstleistenden im Sozial- und Krankenwesen bis hin zu Menschenrechtlern und Naturschützern.

Diese Welt gestaltet sich in ein menschenrechtliches Inferno, in der Verfassungen nach Belieben geändert weden können und die vermeintlich "Großen" sich auf der Weltbühne unverhohlen ein beschämendes "Stelldichein" geben, alles bezahlt vom Bürger, mit Arbeitskraft, Zeit, Geld und Leben !

Die Erde besteht praktisch aus puzzleartigen Gebieten, die durch reale und imaginäre Stacheldrahtzäune voneinander getrennt sind. Auf der einen Seite leben Menschen, die in den Alltagssorgen versunken ihren Geschäften nachgehen, aber immer mit einem freien Blick auf die Gebiete, in denen Grauen, Terror und Unfreiheit zum Alltag gehört.

Das Beispiel von der Frankfurter Buchmesse zeigt: so viele schöne Buchstaben in so vielen Büchern - was sind sie wert, wenn man nicht mal ihre wichtigsten lebenden Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, egal ob mit oder ohne offizielle Einladung ?! Der einzig schreckliche Trost, der einem bleibt: es kommt alles auf eine Menschenmasse zurück, die schweigt und zusieht, auf lang oder kurz und auf direktem oder indirektem Weg, dies ist das erste Naturgesetz in einer Herde.

Je nach wirtschaftlicher, politischer und kultureller Lage werden immer wieder skrupellose Menschen geschaffen und erzogen. Doch ihre Entfaltungsmöglichkeiten sind naturgemäß immer davon abhängig, wie lange und in welcher Art man ihnen Macht verleiht, und sie ohne Ausnahme kontrolliert ... an diesem Umstand wird überall und zu jeder Zeit das Glück und die Freiheit eines Volkes gemessen. Allerdings sind Angst, Feigheit, Schweigen, Bequemlichkeit und Mitläufertum einer jeden Bevölkerung die höchsten Trumpfkarten von Despotismus und Alleinherrschaft.

Was soll man zum Abschluss sagen ... nun, es gibt keinen: Anna Politkowskaja ist ermordet worden, sie wird nicht die letzte sein, solange es menschenverachtende Politik und Wirtschaft gibt und toleriert wird, und solange Kontrollmechanismen von unten nach oben in vorhandenen unausgereiften Systemen nicht funktionieren oder mit Einschüchterung, Mord und Brutalität zerstört werden.

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