Donnerstag, 20. September 2007

Türkei: „Bibeln und Keulen“

von Volkmar Michler

Eigentlich hatte ich für den heutigen Profit Radar einen Beitrag zum Thema Verkaufsstrategie an der Börse geplant. Doch die Reaktionen auf die letzten Leser-Beiträge zum Thema Türkei halten an. Die Diskussion um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei wird auch unter den Profit-Radar-Lesern teilweise sehr emotional geführt. Ich gebe Ihnen die nachfolgenden Leser-Mails unkommentiert weiter. Damit möchte ich das Thema Türkei – zumindest was einen möglichen EU-Beitritt anbelangt – fürs erste dabei belassen.

Sehr geehrter Herr Michler,

ich finde die Beiträge/Zuschriften spannend aber auch zum Teil polarisierend. Sicher haben beide Seiten irgendwo Recht. Auch ich finde, die Türkei ist noch nicht beitrittsreif. Aber sie ist, wenn auch recht langsam, auf dem Weg dazu. Grosse Umwälzungen und Veränderungen der Gesellschaft brauchen immer viel Zeit.

Was ich aber nicht verstehe, warum hat die Beitrittsfähigkeit von Bulgarien und Rumänien oder dem ganzen Ostblock niemand in Frage gestellt? Die sind doch keinesfalls besser. Überall herrscht Korruption; Armut, Verfolgung von Minderheiten (z.B. Homosexuelle, Sinti und Roma usw.). Ist das besser als in der Türkei? Ich denke, von der Bevölkerung wollte auch kaum jemand den Beitritt dieser Länder. Aber bei der Türkei wird viel mehr Aufhebens darum gemacht.

Solche "Kuriositäten", wie die Verhaftung des Familienvaters (von dem ich erst hier erfahren habe) gibt es überall, auch bei uns. Das sind manchmal Auswüchse von Bürokratie. Ich denke wir sollten uns bei vielem an die eigene Nase fassen und für andere Länder nicht höhere Hürden stellen als sie bei uns gelten. Auch in der jetzigen EU gibt es viele Misstände, aber die lassen sie nicht so pubizitätsfördernd verkaufen wie der "Nichtbeitritt der Türkei". So wird seitens der Politik nur von den wirklichen Problemen der EU abgelenkt.

Ausserdem war es noch nie ausschlaggebend ob und warum ein Land in die EU will und ob das die Bevölkerung der restlichen EU-Länder das will. Es sind einzig und allein die Wünsche der Wirtschaft ausschlaggebend. Und wenn sich die Wirtschaft einen Vorteil vom Beitritt verspricht (billige Produktionsmöglichkeiten, Absatzmöglichkeiten) dann wird ein Land früher oder später auf jeden Fall aufgenommen. Warum hört man schon von Spekulationen, dass Länder wie die Ukraine und Weissrussland zu den nächsten Beitrittskandidaten gehören werden? Sind die etwa besser als die Türkei?

Zum Schluss möchte ich anmerken, dass ich kein Türke bin und auch nicht alles in der Türkei gutheisse, aber man muss sich auch mal die anderen Länder anschauen, die nun schon in der EU sind. Und dann kann man sich wirklich fragen, wie die reingekommen sind!!

Mit freundlichen Grüssen

B. Svedic

Guten Tag Herr Michler,

es war wirklich interessant die Beiträge zur Türkei zu lesen. Einen Punkt hab ich noch als Ergänzung:

Konkret:

Solange bis heute die Regierung, das Parlament und viele türkische Historiker den Völkermord an den Armeniern leugnen, solange Schriftsteller wie der Friedensnobelpreisträger Pamuk bedroht und angeklagt werden, solange Europa mit Steuergeldern Moscheen bauen – im Gegenzug christliche Kirchen angezündet und Bibelverkäufern die Kehle aufgeschnitten wird, solange „Ehrenmorde“ begangen werden, genau solange sind die Türken schlicht nicht beitrittsreif und sollten als Waffen nur Keulen in die Hand gedrückt bekommen, in der Hoffnung, dass die sich die Schädel gegenseitig einschlagen und sich das Problem somit von ganz allein löst.

Mit freundlichem Gruß,
Thomas G.

„Bitte keine Ausländerfeindlichkeit“

Sehr geehrter Herr Michler,

nichts gegen Ihr Fachwissen an der Börse allgemein. Jedoch erwarte ich von einem zivilisiertem Menschen, welcher in einem "demokratischen" Staat lebt und die deutsche Verfassung ansatzweise gelesen haben sollte, ein gewisses Feingefühl in dieser diferenzierten Welt.

Über die Demokratie läst es sich bestimmt streiten, darum würde ich gerne von Ihnen wissen, " Bitte gehen sie erstmal in sich und denken über die vergangenen Jahre in Deutschland nach (unter anderem an die neuen Gesetzgebungen) und beantworten Sie erst dann meine Frage, die lautet.

Ist alles was hier passiert, wirklich der Demokratie entsprechend und damit auch Gerechtigkeitsnahe?

Wenn ich noch weiter in der Geschichte zurück gehen würde, fällt mir leider nur ein Schlagwort ein und die lautet "Ausbeutung".

Vielleicht werden Sie mir jetzt nicht ganz in allen Einzelheiten zustimmen, aber die Ausbeutung geht immer noch weiter....

Worauf ich eigentlich nur hinaus wollte, ist die Tatsache, dass diese ganzen Diskussionen nicht in der Ausländerfeindlichkeit enden sollten, da es leider noch genügend viele Menschen gibt die sich damit beauftragt fühlen dies aufrecht zu erhalten, mit dem Gedanken Demokratie in ein land zu bringen.

Desweiteren wissen sie mit Sicherheit auch nicht, wer alle Ihre Kommentare zu lesen bekommt. Geld und Moral haben sich nie gut verstanden.

Ein schönes Wochenende

Yüksel P.

Ps.: Wenn sie etwas mit Ihren eigenen Augen sehen, muss es nicht der Wahrheit entsprechen und wenn sie etwas mit Ihren eigenen Ohren hören, muss es noch lange nicht die Wahrheit sein.

Die Menschen schauen durch ein 1qm großes Fenster, jedoch wissen dann soviel, als würden sie durch 1qm schauen, leider. Deshalb sollten wir kleinen Menschen nicht das Spielball und damit auch das Werkzeug der großen werden.

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