Mittwoch, 13. Februar 2008

Johann Jakob Dusch (1725-1787) Der Tempel Cytherens

Erstes Buch


Die Göttinn, die im Stillen der halbe Erdkreis ehrt,
Die hier Tyrannen flehen, dort Schäfer seufzen hört,
Der jede Nation, in jedem Erdstrich dienet,
Wo ewger Winter wohnt, und wo ein Frühling grünet,
Herrscht sichtbar zu Cythere: ein Tempel vom Vulkan
Nimmt hier für seine Göttinn der Völker Weihrauch an;
Und jährlich steiget hier von schimmernden Altären
Der Rauch von Opfern auf, die ihre Gottheit ehren;
Wenn sich ein neues Leben in die Natur ergießt,
Und hier die edle Jugend um sie zusammenfließt.
Zwar auch Idalien empfängt dann seine Menge,
Und Paphos öffnet ihr die Tempel voll Gepränge;
Doch Cypris haßt die Opfer; durch Greul von hier verbannt,
Hat sie von den Altären ihr Aug hinweggewandt.
Die Wollust nimmt da Lohn von niederträchtgen Händen,
Und Opfer der Altar, die ihre Gottheit schänden.
Die Schaam, die Ehr und Treue, die Sittsamkeit und Zucht
Vertilgen Frechheit, Wollust, Betrug und Eifersucht;
Man kennt sie hier nicht mehr; es scheint, als wenn Cythere
Der Schande und des Grimms furchtbare Göttinn wäre.

Kein Erdstrich zeigt den Menschen so mancher Götter Spur;
Selbst Jupiter bewundert die Kräfte der Natur,
Wenn mit geschäfftigen, und eifervollen Händen,
Der Erden Göttinnen verschönern, und verschwenden.
Auch Juno feyrt die Tage, umfängt den Jupiter,
Erwecket ihn zur Liebe, und küsset feuriger.
Sie denkt nicht an den Zank, der den Olymp empörte.
Noch wie sie voller Schaam vom Ida wiederkehrte.
Der Groll stirbt in dem Busen, von ihrer Stirn der Streit,
Und ihr verschönert Auge winkt Ruh und Zärtlichkeit.
Cythere badet dann ihr Haar mit ihren Düften,
Und schürzet ihr noch einst den Gürtel um die Hüften.
Der Erden Untergötter, die Mächte der Natur,
In Wassern, auf Gefilden, in Hainen, auf der Flur,
Vereinigen den Fleiß, erwecken, und beleben
Den kleinen Theil der Welt, den ihnen Zevs gegeben.
Der güldne Gott des Tages nimmt einen weitern Lauf,
Und jagt die Rosse schneller vom Ocean herauf;
Dann glüht die Liebe noch auf seinen Rosenwangen;
Und Thetis, voll Begier, ihn wieder zu umfangen,
Schaut in den ebnern Wellen, wenn ihm der längre Tag
Die Laufbahn weiter zeichnet, dem Gott im Bilde nach;
Ob er am Widder oft, auf seinen flüchtgen Wagen,
Die Zügel schüttele, die Rosse fortzujagen.
Der Frühling folgt dem Gotte; sein Athem haucht dem Hain,
Und Thälern, und Gefilden ein neues Leben ein;
Und Zephyrs führen ihn, und fachen sanft die Düfte
Vom vollen Rosenbusch, und Veilchen durch die Lüfte.

So zeichnen alle Mächte mit Wonne diesen Tag,
Und Götter eifern Göttern, und Nymphen Nymphen nach;
Die ganze Schöpfung scheint Cytherens Fest zu merken;
Ein feyerlicher Stolz erscheint in allen Werken.

Kaum trat zum erstenmale mein Fuß an ihren Strand,
So rief ich, voll Entzückung: ihr Götter! welch ein Land!
Ist hier Elisien? - und sah von allen Höhen
Auf Thal und Wald umher, und ward nicht satt im Sehen.
Dann strich ich durch die Gegend, worauf mein Auge lief,
So wie mich die Entzückung durch ihre Sinnen rief.

Hier kränzt ein Wald von Buchen das Veilchenvolle Thal,
Und deckt mit kühlen Schatten vorm heißen Mittagsstrahl.
Du sprächst, es streckte hier die Buche, mit Verlangen,
Den grünen Arm von sich, Verliebte zu empfangen.
Hier strömt von schwanken Aesten das Lied der Nachtigall
Das tiefe Thal hinunter; der ganze Hain wird Schall;
Des Baumes Dryas horcht, mit angenehmer Trauer,
Und durch den stillen Wald geht ein geweihter Schauer.
Die Nymphen, und Dryaden beschäfftigt eine Müh,
Und diese zieht die Buchen, und jene tränket sie.
Sie baun den Rasensitz, und lassen, hier im Kühlen,
Um den verliebten Gast die schönsten Träume spielen;
Sie beugen um den Schäfer der Schatten grünes Dach,
Und seufzen süße Seufzer ihm leis im Busche nach;
Sie polstern beym Geräusch vorüberfliehnder Quellen,
Mit sanft geschwollnem Moos, der Schönen Lagerstellen;
Sie schmeicheln mit den Wellen der stillen Phantasey,
Und führen, wenn sie seufzet, den blöden Freund herbey;
Umsonst fährt sie dann auf, zu spät will sie entfliehen,
Und ringt, und läßt sich gern ans Ufer niederziehen.

Doch wenn die Sänger schlummern, wenn in der kältern Nacht,
Aus Silberwolken, Phöbe das Thal gesellig macht;
So sammlet sich ihr Chor, den Reihen aufzuführen,
Und Nymphen tanzen dann mit Faunen und Satyren:
Bald fliegt der Schwarm durchs Thal hin, bald in den schwärzern Hain,
Bald haschen sie einander, und springen bald im Reihn.

Dort zittert von der Höh, die dieses Thal umschließet,
Ein Bach, den hier Zephiß aus dreyen Urnen gießet.
Er windet sich geschäfftig, und irret tausendmal,
Voll Ungeduld, durch Krümmen, und sucht den Weg ins Thal;
Mit Sehnsucht wälzt er sich von schrägrer Höh herunter,
Braust ungeduldiger, und stürzt vom Hang hinunter,
Und drehet sich, und schäumet, und wälzet, sonder Bord,
Durchsichtig über Blumen die weiten Kreise fort.
Mit Wäldern an der Stirn, hängt hier ein stolzer Hügel
Den Gipfel über ihn, und siehet sich im Spiegel.
Sein Rauschen ladet oftmals die Nymphen aus dem Hain;
Sie treten an sein Ufer, und spiegeln sich darein,
Und stürzen in den Strom, und schlagen seine Wogen,
Und schwimmen mit ihm fort, und spritzen Regenbogen.
Wann dann ein schlauer Waldgott sie aus dem Schilf belauscht,
So schwillt er eifersüchtig, tobt um ihn her, und rauscht;
Und sie verstehen ihn, und tauchen schamhaft nieder,
Und sein getreuer Strom verbirgt die schönen Glieder.

Ein Wald von hohen Cedern steigt um den Hof hervor,
Und trägt bis in die Wolken sein prächtig Haupt empor.
Gigantisch strecket hier des Zevs geweihte Eiche
Aus ihrer Finsterniß ihr irrendes Gesträuche.
Enthusiastisch-zarte, verliebte Phantaseyn,
Und angenehmes Grauen erfüllt den dunklen Hain.
Hier pflegt die Göttinn oft das Schicksal, ihren Willen,
Und das Zukünftige in Träumen zu enthüllen.
Ein Schauer, den der Schatten des Hains herunter gießt,
Und Ehrfurcht sagt der Seele, wem er geheiligt ist.

Der Ausgang führt den Fuß in eine grüne Enge,
Durch labyrinthische, verwachsne Myrthengänge.
Hier athmet man die Liebe, den Gram voll süsser Lust;
Der Schäferinn entwischet der Seufzer aus der Brust;
Sie hört gelehriger, will reden, und wird blöde;
Erröthet, stammlet, schweigt, und Blicke werden Rede.
Ihr Herz wird ausgedehnet, ihr Busen lebt und steigt,
Und ein verräthrisch Lächeln sagt das, was sie verschweigt.

Kein Ort der Welt ist schöner, als rund um dieß Revier!
Entzückung, süsse Sehnsucht, und Hoffnung wohnen hier.
Hier herrscht ein ewger Lenz im stetem Feyerkleide;
Die Seele athmet Ruh, und das Gefühl ist Freude.
Wenn anderswo ein Nebel die rauhe Luft erfüllt,
Wenn Jupiter den Himmel in Ungewitter hüllt,
Wenn er ein sträflich Land mit Sturmwinden erschüttert,
Wenn er im Donner fährt, und bang ein Welttheil zittert:
So eilt der Gott des Tages von diesem Himmel fort
Und wendet ganz sein Antlitz auf diesen stillen Ort.
Hier sieht man Grazien, in frischen Blumenkränzen
Die Freuden und den Scherz, bald flüchtig, bald in Tänzen;
Den Witz, die blöde Unschuld, die jugendliche Schaam,
Den flatterhaften Leichtsinn, den angenehmen Gram,
Den losen Eigensinn, auf Blumen, in Gebüschen,
Mit Amors unter sich, sich jagen und erwischen.
Sie werfen sich mit Rosen, sie tanzen Hand in Hand,
Durchschlüpfen die Gebüsche, und schwärmen durch das Land;
Die Veilchen biegen sich von ihren Tritten nieder.
Doch wo ein Blümchen stirbt, da wachsen hundert wieder.
Sie warten Florens Kinder, die hier der Jüngling pflückt,
Um Küsse zu verdienen, wenn er sein Mädchen schmückt.
Sie sorgen, sie der Hand des Schäfers zu erziehen;
Sie dürfen nur im Haar, nur vor der Brust verblühen;
Und bricht man seiner Schönen hier einen Blumenstrauß,
So wählen sie die Farbe, und suchen selber aus.

Ich kam zum zweytenmal in diese Gegend wieder,
Und warf mich Kummervoll am Strand des Zephiß nieder.
Ach! was für eine Gottheit verschwärzte mir ein Land,
Das ich so schön gefunden, und nun so traurig fand!
Erstorben schien umher das weite That zu liegen;
Themire war nicht hier; was sollte mich vergnügen!
Ich glaubte sie verlohren, in eines Räubers Hand,
Von dem ich sie zu retten, umsonst das Meer durchrannt.
Ach! schrecklicher für mich! ich glaubte, daß Cythere,
Dem Laster günstig sey, und sie schon treulos wäre.

Nach jenem Tag voll Unglück, dem Tag der Finsterniß,
Der damals mit Themiren, das Leben mir entriß,
Sank unter meinem Gram zwölfmal die Sonne nieder;
So mancher finstrer Tag gieng unter, und kam wieder!
Das Herz, das mehr sich martert, indem es sich verschließt,
Fühlt Wollust in der Klage, und Luft, wenns sich ergießt.
So glücklich war ich noch! bey meinen tiefen Wunden,
Hat bey Agenorn noch mein Gram Gehör gefunden;
Oft hat mir im Erzählen bey ihm der Tag gefehlt;
Und was ich damals wußte, hab ich ihm so erzählt.



aus: Der Tempel der Liebe


* der Autor ..................................................
geb. am 12. Februar 1725 in Celle. Er studierte in Göttingen neben Theologie besonders schöne Wissenschaften und wurde 1766 Gymnasialdirektor in Altona. 1767 wurde er Professor der englischen und deutschen Sprache, 1771 dann Professor der Philosophie und Mathematik. Dusch starb am 18. Dezember 1787 in Altona.
Quelle: Meyers Konversationslexikon von 1888-90.

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