Donnerstag, 5. Juni 2008

Eine interessante Meinung zum Ölpreis

von Daniel Wilhelmi

Bekanntermaßen haben Volkmar Michler und ich kein Problem damit, im Profit-Radar auch unkonventionelle Meinung zu vertreten oder zu Wort kommen zu lassen. Deshalb möchte ich Ihnen heute die Lesermail von Profit-Radar-Leser Herr C. zur Ölpreisentwicklung vorstellen. Hier also seine Meinung zum Ölpreis:

„Sehr geehrter Herr Wilhelmi, In Ihrem täglichen Börsenbrief sprechen Sie häufig von der Ölknappheit und den deshalb immer mehr steigenden Benzinpreisen. Ich glaube, dass die wahren Hintergründe für die immer mehr steigenden Benzinpreise, die sich hinter der sog. Ölknappheit verbergen, wenigen bekannt sind.

Erstens, lt. den OPEC-Angaben wird z.Zt. genügend Öl gefördert, um den Weltbedarf zu decken. Woran es jedoch fehlt, sind größere Raffinerie-Kapazitäten, um den erhöhten Benzinbedarf zu befriedigen. Seit Jahrzehnten werden in den Industrieländern keine neuen Raffinerien gebaut. Wegen der langfristig zu erwartenden rückläufigen Ölförderung ist dies vielleicht auch verständlich, treibt jedoch zur Freude der Ölkonzerne die Benzinpreis nach oben

Zweitens, da die Ölkonzerne kein Interesse an niedrigeren Öl- bzw. Benzinpreisen haben, wird die Möglichkeit der Herstellung von Benzin aus den in großen Mengen verfügbaren Gasvorräten, wofür sich der Bau von Anlagen langfristig lohnen würde, offensichtlich z. Zt. nicht ins Auge gefasst. Im Nahen Osten besteht eine derartige Pilotanlage, welche seit einigen Jahren nach meinen Informationen 6500 Tonnen zu sehr günstigen Preisen produziert.

Logische Schlussfolgerung: wir werden alle verarscht. Mit freundliche Grüssen, Michael C."

Diese Formation könnte ein Anzeichen für eine unerwartete Rallye sein

Wie ich schon sagte: Dies ist die Meinung von Herrn C. - aber sie vertritt einen durchaus populären Meinungsflügel in der Ölpreis-Diskussion. Hier nur ein Kommentar von mir zu den Thesen: Das Hauptproblem ist, dass es keine wirklich 100%ig verlässlichen Zahlen gibt. Glauben Sie tatsächlich allen Daten der OPEC?

Oder glauben Sie auf der anderen Seite z.B. dem amerikanischen Öl-Milliardär Boone Pickens, der fraglos einer der erfolgreichsten Öl-Magnaten der Welt ist. Er vertritt die Meinung, dass es am Ölmarkt ein Defizit von 2 Mrd. Barrel pro Tag gibt - und der Ölpreis deshalb einfach steigen muss. Laut Herrn Pickens produziert die weltweite Ölindustrie am Tag 85 Mrd. Barrel. Und was noch viel wichtiger ist: Nach Herrn Pickens, einem Top-Insider der Ölbranche, kann auch nicht mehr produziert werden. Aber die weltweite Nachfrage liegt bei 87 Mrd. Barrel.

Sie sehen: 2 Seiten, 2 Meinungen. Herr Pickens, der mit seinen Prognosen für Öl in der Vergangenheit sehr of richtig lag, sieht übrigens 150 US$/Barrel bis zum Jahresende. Auf der anderen Seite hat Herr Pickens aufgrund seiner Ölgeschäfte natürlich ein Interesse daran, dass die positive Stimmung für Öl erhalten bleibt. Das ist für ihn im wahrsten Sinne des Wortes „bares Geld" wert.

Und das ist das Hauptproblem an der Öldiskussion: Zu viele involvierte Parteien haben zu viele unterschiedliche Interessen. Auf eines können wir uns aber wohl auf jeden Fall einigen: Die Entwicklung der Ölindustrie in den USA deckt ganz klar die natürlichen Grenzen des Kapitalismus auf: Einige wenige Unternehmen bereichern sich (was okay ist) zum Schaden der breiten Gesellschaft (was eben nicht mehr okay ist).

Have a successful day, Ihr Daniel Wilhelmi

Keine Kommentare: