Samstag, 8. März 2008

Ein ganz normaler Arbeitstag

Der gestrige Arbeitstag war sehr aufschlussreich, mit einigen Schwierigkeiten aber dafür auch mit vielen kleinen Erkenntnissen verbunden: will zunächst gar nicht zur Arbeit, da mein Kehlkopf immer noch entzündet ist, jedes Schlucken, Niesen + Husten tut weh. Außerdem höre ich in den Lokalnachrichten, dass in NRW die Grippewelle im Vergleich zum Vorjahr zwei bis dreimal zugenommen hat . Ich fühle mich sehr fit, könnte aber selber latenter Streuherd für diese Viren sein, es kann aber auch alles Einbildungs sein.

Soll im Ing.Büro von DB und SM eine alte Tafel abhängen und gegen eine neue eintauschen. Denke zunächst, dass diese Arbeit in 45min erledigt ist: 15 min für das Demontieren und 30 min für das Aufängen dieser neuen und relativ schweren Tafel. Pustekuchen, wenn Fr. & Hr.Ing. mir nicht geholfen hätten, wäre daraus eine 90-minütige Angelegenheit geworden.

Es fängt schon damit an, dass jedes Loch anders befestigt ist: drei sind mit einer Schraube hinten gekontert, eine Mutter ist völlig am Arsch, da passt weder ein 6er noch eine 7er Schraubenschlüssel und mit der Zange gleite man ständig ab. Bei der letzten versuchen wir die hintere Schraube zu kontern, aber es tut sich überhaupt nichts, wir drehen uns kaputt. Es bleibt nichts anderes übrig, als sie von hinten mit einer Pucksäge abzusägen.

Zum Glück kommt EB vorbei und erspart mir den vierten Gang nach unten in die Werksatt und holt sie mir. Nachdem auch sie endlich gekilled ist, stellen wir fest, es handelt um Spreizbügel => verdammt und zugenäht:da hätten wir bis zum jüngsten Gericht drehen können => ich hätte das Gewinde mit der Zange fixieren müssen und nicht die Konterschraube.

Da es sich um doppelwandige Rehgips (=Gipskartonplatten) mit einem Hohlzwischenraum handelt, meint DB: "lass fallen, dann erschrecken sich die Mäuse". Recht hat er, im Grunde genommen wir wollen doch gar nicht wissen, wieviel Tiere sich in den Hohlräumen menschlicher Behausungen befinden. Das Fixieren der neuen Wand erweist sich als Klacks, wobei sich DB besonders ins Zeug legt: kein Wunder, er ist ja auch einen Gesellenschein, und hat jetzt als Ing. durch seine jahrelange Arbeit am Computer einen unendlich hohen Nachholbedarf an handwerklicher Tätigkeit ;-)

Diesmal kann es mir nicht passieren, dass ich die Tafel mit der Rückwand wie bei MK fixiere, habe mich damals gewundert, warum die Schreibseite so rauh ist. Nun wenn man wie ich nicht für drei Cent nachdenken kann, passieren solche Sachen. Auf jeden Fall war ich glücklich, diese Sache schon mal hinter mir gebracht zu haben.

Mir fällt auf, dass DB sich auffällig viel über Schwangerschaften, Geburtenvorgänge und mögliche Geburtskomplikationen unterhält. Versuche ihm klarzumachen, dass meine Mutter in ihrem ersten Beruf hunderte von Geburtsvorgänge begleitet hat, und dass jede Geburt so verschieden ist wie der Mensch selber. Das scheint aber nichts neues für ihn zu sein, und ich wunder mich schon, warum ein Ingenieur plötzlich sich für solche Dinge interessiert.

Aha, seine Frau hat im Dezember ein Kind geboren, und er war bei der Geburt dabei ... alle Achtung: wieviel Wissen und Erfahrung Ingenieure plötzlich in Lebendwissenschaften sammeln können, wobei sie doch tagein und tagaus sich mit mechanistisch-, mathematisch- und programmiertechnischen Dingen auseinandersetzen. Freut mich ungemein, wenn Menschen über ihren täglichen Tellerrand hinausschauen können.

Zwischendurch DA geholfen, hier und da Hand mit angelegt. Er muss sich als Neuling erst mal durch die Vielfalt der Apparaturen, methodische Vorgehensweisen, Laboratorien, Kenntnisse der Werkzeuge und Materialien durchkämpfen. Die Ehe zwischen Maschinenbau und Chemie bringt nun mal eine derartige Vielfalt mit sich, die einen erschlagen könnte. Für jeden Neuankömmlich ist es sicherlich nicht einfach, da man sich ständig durchfragen muss, da gibt es keinen Mitarbeiter, der soviel Zeit hat, einen an die Hand zu nehmen und Schritt für Schritt alles erklären.

Erschwerend kommt hinzu, dass er als aus dem Ausland kommende Fachkraft noch sprachliche Mängel und Defizite + eine sehr zurückhaltende Art hat. Man kann fast sagen, er ist genau das Gegenteil von mir: ich nehme kein Blatt vor dem Mund, und er hat ständig Angst, dass man ihm "böse" sein kann, wenn er was vermeintlich falsches sagt oder macht.

Zwei Dinge muss man im Grunde genommen jedem Neuling sagen:

a) Wie mein alter E-Technik Ing. aus dem Forschungszentrum in Jülich sagt: erst nach der Ausbildung oder nach einem Studium lernt man, dann beginnt das eigentliche Lernen, Begreifen und Verstehen, der Informationsgewinn durch "Try und error", der auch haften bleibt, und nicht wieder verdrängt wird, nachdem man eine Klausur geschrieben hat.

b) Wie Udo Lattek zu sagen pflegen pflegt: ein neuer Spieler, muss sich erst mal seinen Stammplatz erkämpfen. Da sagt keiner: He, du, herzlich willkommen, du kannst jetzt meine Position übernehmen ! Jeder muss mit Wort und Tat beweisen, dass er zu Recht seine Position inne hat. So ist das in der Wirtschaft, auf der Hochschule, in einem privaten Betrieb oder in irgendeiner Gemeinschaft dieser Welt. Dies sind die Strukturen, die der Mensch im Laufe seiner gesellschaftlichen Entwicklung, besonder in kapitalistischen Systemen aufgebaut hat, egal, ob er es zugeben will oder nicht.

Einschub:

Ich persönlich interessiere mich (unhabhängig davon, welchen Beruf ich ausübe) für die Mechanismen, wenn ein Mensch diesen Ansprüchen nicht gerecht wird, und im besonderen Maße dafür, wenn er über seine und die geforderten Ziele hinausschießt. Dieses Interessensfeld ist mir von zu Hause durch die Berufe meiner Eltern mitgegeben worden, das nennt man auch Lernen am Modell. Mich interessiert die Pathologie des Geistes und des Körpers, die durch irrige Annahmen, durch übertriebene Erwartungshaltung an sich und an die Mitmenschen und durch perviertierte sozial-psychologische Mechanismen entstehen können. Und zwangläufig bewege ich mich in einem Feld, das mehr Tabus an die Oberfläche treibt, als einem lieb sein kann.

Von daher war an diesem Arbeitstag das technische Problem des Obering., der im Werkraum einen schon etwas größeren Schaltschrank zu bearbeiten hat, ärgerlich und interessant zugleich. Da fliegt doch ständig der FI-Schalter raus, und er findet partout nicht den Leckstrom von bis zu 40mA.

MT auf meiner Etage meint, dass u.U. ein rückführendes Kabel verbotenerweise auf Masse gelegt worden sein kann. Vielleicht entsteht durch Betätigen eines Schalters oder durch das Schließen eines Arbeitskreises der Kurzschluss. Dass jetzt nur das Anzapfen einer einzigen Phase diesen Fehler hervorrufen sollte, glaubt er weniger.

Tja, diese minimalen Leckströme sind hochinteressant. Eine normale Schmelzsicherung reagiert zu langsam auf solche Kurzschlußströme, aber die Fehlerstrom-Schutzschalter zum Glück schon.

Wenn wir diese Schutzschalter in ähnlicher Weise in unseren sozial-gesesellschaftlichen Systemen hätten, dann gäbe es nicht so viele und eklatante Steuerhinterziehungen, grobe politische Fehlentscheidungen in Finanzangelegenheiten und die Selbstbedienungsmentalität an öffentlichen Geldern. Das sind schon keine Leckströme mehr, das sind wahre Sturzbäche und Flüsse.

Vielleicht haben wir grobe Sicherungen in Gestalt der Kartellämter, aber sie sind zu langsam, zu träge und reagieren erst, wenn die nachgeschalteten Arbeitskreise schon längst "durchgebrannt "sind => Interne Absprachen können hinter dicken Mauern und Doppeltüren getroffen werden, große Firmen können sich absetzen, obwohl sie vorher alle möglichen Steuererleichterungen und Infrastrukturen genutzt haben und erst dann wird etwas publik, wenn alles zu spät ist => das nenne ich eine Pseudo-Schutzschaltung für öffentliche Gelder.

Das Fatale ist: "Fehler erkannt, aber Gefahr nicht (!!!) gebannt". Sozial-gesellschaftliche finanzielle Leckströme werden durch systemimmanente Fehlschaltungen erzeugt. Und kaum eine Tageszeitung, Fachzeitschrift oder Kolumne erklärt für Otto-Normalverbraucher in schlichten und einfachen Worten, wie es zu diesen Kurzschlusshandlungen kommt, wie die Methoden und Mechanismen aussehen. Und diese Acht-Uhr-Nachrichten sind oftmals eine Volksverdummung ohnegleichen - da werden Symptome ausgeschlachtet und Sensationslust befriedigt, aber wie es zu den Krankheiten kommt, davon ist die Berichterstattung meilenweit entfernt.

Wenn ich ehrlich bin: sollte ich mal in die Verlegenheit kommen, große Geldsummen anzulegen und zu verschieben, an gewissen Schalthebeln der Macht zu sitzen oder/und Vorstand/Manager zu sein, ich würde mich riesig über diese Form von Berichterstattung freuen ... sie würde mir täglich in die Hände spielen.

Wir wundern uns immer, dass damals im dritten Reich, der Reichssender die Menschen verdummen konnte, oder in anderen Ländern die Medien von einzelnen Personen gelenkt und manipuliert werden ... der Informationsgehalt der heutigen westlichen Fernsehnachrichten grenzt an Verharmlosung und Oberflächlichkeit - von aufklärerischem Gedankengut in den allermeisten Kanälen war und ist nichts zu spüren - die sind ja nicht mal imstande, Menschenrechtler und politisch Verfolgte, Tier- und Naturschützer angemessen zu Wort kommen zu lassen.

Schluss des Einschubs.

Und da ist noch das Rollo am Fenster, das man nicht mehr hochhieven konnte, da die Zahnradscheibe an der Kurbel nicht mehr fest saß. Nachdem ich die Madenschrauben nach dutzend Versuchen nicht befestigen kann, da der Kopf und die Spitze ausgeleiert sind, musst ich unter widrigen und beengten Verhältnissen zwischen Labortischen und Wand mit einer Rohrzange, die schwerer ist als ich, die Kurbel Schritt für Schritt drehen. Das war nicht ganz so mühsam, wie Säuren zu neutralieren, aber eben auch halt Steinzeittechnik.

Dann kam ML an und überbrachte mir frische Madenschrauben aus der Werkstatt, verdammt und zugenäht, die hatte ich völlig vergessen, obwohl ich sie selber mal gesammelt und eingeordnet habe. Der Rest war dann ein Kinderspiel. Eine Stunde nach Dienstschluß mit DA gegen DD Kicker gespielt, leider haben wir dann doch noch ein Spiel mit Null Toren verloren und sind somit verpflichtet, am kommenden Montag einen Kuchen zu spendieren.

Erkenntnis des Tages: Grau ist alle Theorie, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen und wer es nicht im Kopf hat, der hat es in den Beinen ;-)

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