Freitag, 17. Oktober 2008

Warum die Märkte schon wieder fallen

von Daniel Wilhelmi

Gestern hatte ich eine längere Telefonkonferenz mit Taipan-Chefredakteur Volkmar Michler. Wie immer war das Gespräch sehr konstruktiv. Wir kamen dabei auch auf die aktuellen Hilfsprogramme der Regierungen zu sprechen. Und ich meinte, dass ich auf kurzfristige Sicht vor allem einen Haupt-Sorgenpunkt habe:

Die Regierungen haben in den letzten Wochen alle Hasen aus dem Hut gezaubert, um die Kreditmarktkrise zu bekämpfen. Aber - und hier ist meine Sorge: Es erinnert mich an die klassischen Western-Duelle auf der staubigen Hauptstraße. Der Scherriff zieht seinen Colt und schießt nicht nur 1 Kugel, sondern alle 6 Kugeln auf den Ganoven, der ihm 20 Meter die Strasse runter gegenüber steht. Der Börsewicht soll ja sterben.

So weit so gut. Aber was ist, wenn sich der Rauch verzieht und der Ganove steht immer noch? Was dann? Dann hat der Scherriff alle seine Kugeln verschossen und steht mit leerem Revolver da.

Deshalb war ich nie ein so großer Fan des Rettungspaketes: Es wurde kein Ass im Ärmel zurück behalten. Und das wäre aber nötig gewesen. Denn wie ich Ihnen dargelegt habe, wird die Börse von der Psychologie bestimmt. Das gilt übrigens und auch für den Konsum. Den Firmen brechen die Aufträge in einer Art und Weise ein, wie wir es in Dekaden nicht mehr gesehen haben.

Gerade in so einem verunsicherten Marktumfeld wäre es absolut entscheidend, dass die Politiker den Märkten das Signal gibt: „Wir holen jetzt den ganz großen Hammer raus. Aber wenn das nicht greift, dann haben wir noch ein Super-Ass im Ärmel.

Was kommt danach?

Natürlich gibt es immer noch neue Möglichkeiten: Schuldenerlass oder Vollverstaatlichungen. Aber das sind dann ja nur noch extremste Aktionen, die nicht anderes sagen als: „Unser Wirtschaftssystem, so wie wir es kennen, ist am Ende.". Warum wäre das „Super-Ass" so wichtig gewesen? Weil es natürlich einige Zeit dauern wird, bis die beschlossenen Maßnahmen greifen.

Und diese Zeit muss überbrückt werden. Ich hatte Ihnen im letzten Profit-Radar geschrieben:
„Rein charttechnisch betrachtet, war dieser Ausverkauf noch nicht das Ende der Baisse. Da ist noch Luft nach unten. Egal welchen Index Sie nehmen: DAX, Dow Jones, S&P oder EuroStoxx - Da ist noch Platz nach unten."

Das würde momentan leider zur Gesamtsituation passen: Die Politik und die Börsianer sind nicht in der Lage, die Märkte zu beruhigen. Es dauert aber seine Zeit, bis die Maßnahmen der Regierungen tatsächlich greifen und das Vertrauen wieder aufgebaut wird. Zudem dauert es auf der realwirtschaftlichen Ebene noch einige Zeit, bis wieder absehbar ist, wie schwer die Rezession ausfallen wird.

Noch mal: Die Märkte können mit einer Rezession leben, zumal diese ja vor allem die USA und Westeuropa betrifft. In vielen Emerging Markets werden wir keine Rezession erleben, sondern lediglich ein sich verlangsamendes Wachstum. Das ist etwas anderes. Eine Rezession bedeutet, dass die Wirtschaft schrumpft (Definition: 2 aufeinander folgende Quartale mit negativem Wachstum). Ein sich verlangsamendes Wachstum bedeutet, dass die Wirtschaft weiter wächst - nur nicht so schnell wie vorher.

Deshalb gehe ich auch nicht davon aus, dass realwirtschaftlich die Welt untergeht. Eine Rezession werden die Märkte locker überstehen können. Aber sie müssen erst mal wissen, wie die Situation überhaupt aussieht. Und das wird einige Quartale brauchen. Diese Faktoren passen also zusammen und verheißen in dieser Kombination weitere schwere Börsenwochen.

Have a successful day,

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