Beeindruckender Sieg für Anand

entnommen aus: chessbase.de

17.10.2008 - "Dieses Mal wollen sie es aber wirklich wissen", kommentierte ein Zuschauer den Verlauf der dritten Partie beim WM-Kampf zwischen Anand und Kramnik. Wie in der 1. Partie entschied sich Kramnik für 1.d4 und wie in der ersten Partie griff Anand darauf zur Slawischen Verteidigung. Aber dieses Mal verschärfte Kramnik die Gangart und wählte eine aggressivere Variante als zum Auftakt. Schon bald kam es zu kompliziertem taktischen Schlagabtausch und zeitweiligen Figurenopfern. Nachdem die schwersten Scharmützel vorbei waren, wirkte es auf den ersten Blick so, als hätte Kramnik Vorteil. Schließlich hatte er zwei Bauern mehr. Aber sein König stand unsicher und die schwarzen Figuren waren aktiv, was ihm nach Meinung der Computer-Engines und Experten Kompensation sicherte. Und tatsächlich - die schwarzen Figuren wurden immer stärker, der weiße König kam zunehmend in Bedrängnis und trotz knapper Zeit gelang es Anand seinen Vorteil zu verwandeln. Durch eine starke und mutige Partie ging er damit 2:1 in Führung. Da Schwarzsiege in Wettkämpfen doppelt zählen, muss sich Kramnik jetzt etwas einfallen lassen. Turnierseite...

Fehler im Text: Schließlich hatte er (Kramnik) zwei Bauern mehr. Aber sein König stand unsicher und die schwarzen Figuren waren aktiv, was ihm nach Meinung der Computer-Engines und Experten Kompensation sicherte

Richtig heißt es: Aber sein König stand unsicher und die schwarzen Figuren waren aktiv, was ihm (Anand) nach Meinung der Computer-Engines und Experten Kompensation sicherte !

Alle drei Partie nachspielen unter:


http://www.chessbase.de/2008/anandkramnik2008/partie3.htm

(3.Partie) Kramnik,V - Anand,V [D49]
WCC 2008 (3), 2008

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7 6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Ld3 a6 9.e4 c5 10.e5 cxd4 11.Sxb5 axb5 12.exf6 gxf6 13.0-0 Db6 14.De2 Lb7 15.Lxb5 Ld6 16.Td1 Tg8 17.g3 Tg4 18.Lf4 Lxf4 19.Sxd4 h5 20.Sxe6 fxe6 21.Txd7 Kf8 22.Dd3 Tg7 23.Txg7 Kxg7 24.gxf4 Td8 25.De2 Kh6 26.Kf1 Tg8 27.a4 Lg2+ 28.Ke1 Lh3 29.Ta3 Tg1+ 30.Kd2 Dd4+ 31.Kc2 Lg4 32.f3 Lf5+ 33.Ld3 Lh3 34.a5 Tg2 35.a6 Txe2+ 36.Lxe2 Lf5+ 37.Kb3 De3+ 38.Ka2 Dxe2 39.a7 Dc4+ 40.Ka1 Df1+ 41.Ka2 Lb1+ 0-1

Mein Ghostwriter und Kenner der Szene sagt:

"Das Erstaunliche an dieser Partie war, dass obwohl die Chancen auf Sieg für Kramnik auch sehr gut standen (2 Bauernvorsprung), Anand Schritt für Schritt im Endspiel seine Figuren aktiver und damit gefährlicher entwickeln konnte. Eine ansehliche Schlusskombination zwang Kramnik zur Aufgabe.

Anand spielt eiskalt

• Schwarz macht Doppelbauer und schafft sich damit eine halboffene Linie
• verzichtet automatisch auf kurze Rochade
• sw. Läufer und Turm zielen auf den ws. Königsfügel
• Zwei ws. Bauern werden (bewusst?) geopfert

Das Scharmützel (=heiße Gefecht) beginnt mit dem 10. Zug ( ws.Bauer e4 nach e5 / sw.Bauer c5 schlägt ws.Bauer d4) ! Mit sw.Turm nach g8 im 34. Zug wird das Schicksal von Weiß besiegelt nach hervorragenden Angriffskombinationen. Natürlich läuft am Ende der weiße Bauer auf der G-Linie so weit voran, um sich als Dame zu verwandeln, aber Anand hat diese Drohung ständig auf seiner Rechnung. Hat Kramnik im 34. Zug die Gefahr, dass der gegnerische Turm seine Dame und König auf einer Linie gleichzeitig bedroht, bewusst in Kauf genommen, um mit seinem g-Bauern vorzustoßen ? War es ein Ausreißversuch nach dem Motto: ich übernehme jetzt die Initiative und löse mich aus der Umklammerung => mein Bauer verwandelt sich eher (beispielsweise) zu einer Dame , als dass der Gegner mich schachmatt setzt ? Auch darf man nicht vergessen: solange Weiß die Dame behält, kann Kramnik ein relativ sichere Verteidigung aufbauen, in dem sein König Schutz findet, und welche Schritt für Schritt nach vorne wandert (... eigentlich interessante Überlegungen für die traditionell offensiv spielenden weißen Figuren ...)

Die WM endet spätestens nach 12 Partien, wenn einer mit einem Punkt, also mit einem Sieg vorne liegt. Ist dies nicht der Fall, kommt es zum Elfmeterschießen, dem sogenannten Armagedon-Untergang: es wird eine Blitzpartie ausgetragen: Weiß erhält 6 Minuten, Schwarz nur 5 Minuten. Weiß muss aber gewinnen, ansonsten wird der Spieler mit den schwarzen Figuren Schachweltmeister. Das Preisgeld für den ersten und zweiten Platz sind fast gleich hoch, nur die Ehre, der Pokal und die Eintragung in die Geschichtsschreibung, die können nur einem zugesprochen werden ;-)

Die WM wird in der Bundeskunsthalle in Bonn ausgetragen, Tageseintritt ca. 30 Euro. Die Fotografen dürfen die ersten 5 Minuten, während die Spieler am Brett sitzen, fotografieren, danach ist silentium absolutum. (=> ich wünschte, bei den Vorlesungen wäre es genauso diszipliniert ruhig, denn der Lernstoff auf der Uni ist nicht minder / weniger schwer und umfangreich als Hochleistungs-Denksport !!!) "

Sein Herzenswunsch: Anand soll gewinnen, weil er ein wenig mehr riskiert, was eines Weltmeisters würdig ist.