Dienstag, 7. Oktober 2008

Die Vergewaltigung



Sprechen wir über Vergewaltigung, so reden wir nach wie vor über ein Tabuthema. Dabei sollte es schon seit Jahrhunderten kein Tabuthema mehr sein, über das man mit vorgehaltener Hand spricht. Im Gegenteil: man kann nicht laut und oft genug sagen:

"Männer, das Unheil dieser Welt kommt von euch !!! "

Warum tun wir uns aber in der Aufklärung von Vergewaltigungen so schwer, warum kommen die meisten Vergewaltiger ungeschoren davon, warum wird in den Schulen und in allen anderen Einrichtungen des öffentlichen Lebens so leise und mit wenig klarer Stimme darüber geredet ?

1) Wo kein Kläger, da kein Richter
  • Viele vergewaltigte Kinder werden von Erwachsenen eingeschüchtert, bei Übergriffen nichts zu sagen !
  • Viele vergewaltigte Frauen schämen sich zur Polizei zu gehen, und wie im Film gezeigt, werden sie in vielen Orten dieser Welt nicht ernst genommen und sogar für eine erlittene Vergewaltigung bestraft => dies ist der alltägliche Horror in Gesellschaften, wo Frauen, nichts, aber auch gar nichts zu sagen haben !
2) Gesellschaftliches Problem

Es herrscht beim Menschen nach wie vor das Prinzip: dem Stärkeren gehört alles ! Das gilt sowohl für finanzielle als auch für körperliche Überlegenheit. Man könnte meinen, dass Männer, die viel Geld haben, keine Frauen vergewaltigen, da sie genug sich Prostutierte und Geliebe leisten können. Doch auch sie sind potentielle Vergewaltiger (s. Strafdelikte prominenter Menschen). Also muss die Ursache noch tiefer liegen.

3) Psychisches Problem

Ja, sie liegt tief im Mann verborgen und kommt immer wieder an die Oberfläche, egal wie alt man(n) ist.

Als Kind habe ich immer gedacht, wie kann man nur einer weinenden und schreienden Frau Gewalt antun, was hat der Mann davon ? Ich könnte niemals einer Frau ein Leid antun, wenn sie weint und um Verschonung bittet ! Auch heute wäre ich nicht imstande, einer Frau Leid anzutun, aber mein Denken und Fühlen sind nicht immer kongruent. Eine gute Freundin hat mir vor Jahren mal von ihrer Vergewaltigung gesprochen, genug Einzelheiten, um den Kerl verhaften zu lassen. Leider ist sie nicht zur Polizei gegangen.

Was mich persönlich an mir sehr erschreckt hat: auf der einen Seite war ich niedergeschlagen wegen eines solchen Verbrechens, auf der anderen Seite habe ich durch die Schilderungen selber eine kurze sexuelle Erregung bekommen. Man kann fast sagen, durch die Schilderungen bin ich heiß geworden. Sollte ich mich dafür schämen ? Wie kann ich meinen Ekel gegenüber Vergewaltigung rechtfertigen, wenn er nicht immer mit meinen eigenen Gefühlen konform ist ? Welcher innere Teil meiner Psyche ist erst dann zufrieden, wenn sadistische Gefühle befriedigt werden ? Wo stecken diese Dämonen, die der Mann immer bei sich trägt, solange er Lust auf eine Frau hat ? Warum existiert das Gefühl, eine Frau auch mal härter anzupacken, trotz einer sehr aufgeklärten und humanen Erziehung gerade durch viele verständnisvolle Frauen ?

Vorher und danach habe ich oft von Vergewaltigungen gehört und meistens mit dem Zusatz: "Bitte sag es nicht weiter !" Aber jeder müsste eine Vergewaltigung zur Anzeige bringen, egal ob das Opfer es will oder nicht. Gehen Frauen nicht zur Polizei nach einer Vergewaltigung, sperren sie dem Täter Tor und Türen auf für weitere mögliche Vergewaltigungen. Frauen erweisen sich gegenseitig durch das Schweigen keinen Dienst.

Meine Cousine als langjährige Sozialarbeiterin meint: "Viele Frauen kommen erst nach Jahren, manchmal nach Jahrzehnten zu psychologisch geschulten Menschen und offenbaren eine Vergewaltigung, Sie haben sie lange erfolgreich verdrängt, u.U. sogar eine Familie gegründet, und dann bricht unvermutet an einem unvorgesehenem Zeitpunkt die Erinnerung an das schreckliche Geschehen wieder hervor und belastet das Familien - und das persönliche Seelenleben."

Dies ist sogesehen eine doppeltes Leid: einmal das Trauma, das vor langer Zeit die Integrität zerstört hat und zum anderen das verdeckte Mitschleppen aller bösen Erinnerungen, bis zum unerwarteten psychischen Ausbruch.

Es gibt zwei Axiome, die Menschen sich vor Augen halten sollten: Du kannst deinen Körper und deine Seele nicht betrügen ! Alles was du deinem Körper zufügst und anbietest wird auch seine Entwicklung in dir durchmachen. Sind es negative Dinge, werden sie sich auch in negativen körperlichen Symptomen wiederspiegeln wie z.B.: ich rauche, mein Bruder nicht. Die Wahrscheinlichkeit an einem qualvollen Lungenkrebs zu sterben ist viel wahrscheinlicher, als dass mein Bruder daran erkrankt.

Und genau so geht es deiner Seele, die man auch mit Psyche, Gemüt und Gefühl umschreiben könnte. Tut man ihr Schaden an, oder lässt man es zu, dass ihr Schaden zugefügt wird, so wird die Wunde nie richtig verheilen, solange man nicht selber (!!!) für die Heilung gesorgt hat. Und Heilung von seelisch zugefügtem Leid findet man in:
  • Satisfaktion => Bestrafung des Täters
  • Aussprache => die Gegenüberstellung mit dem Täter bedeutet ein Kraftakt für das Opfer, ist aber ein Schlüsselmoment im Prozess der Genesung
  • Verzeihen => ist der höchste menschliche Akt, der zum Seelenfrieden beiträgt
Für die ersten beiden Punkte ist der Staat verantwortlich. Keine religiöse Institution und auch kein Familienangehöriger darf das Recht der Vergeltung in seine eigene Hand nehmen. Geht der Staat diesen Pflichten nicht nach, nämlich jedem Opfer Schutz und gesetzliche Wiedergutmachung zu garantieren, dann sind private Übergriffe und Racheaktionen nicht verwunderlich ! Auch die Festnahme der Täter und ihre Gegenüberstellung muss zum festen Willen und Wollen eines Staates werden, um Willkür und Angst zu unterbinden.

Das Verzeihen kann man keinem Opfer abnehmen, dies ist ein humaner Akt, der von einer wiedergewonnen inneren Stärke zeugt. Ein jüdischer Bürger, der das KZ im Gegensatz zu seiner gesamten (!) Verwandschaft überlebt hat, meinte mal: "Nie vergessen, immer verzeihen !"

Wie sieht die Realität aus ?

Weil nach wie vor Vergewaltigungen in unverminderter Zahl auftreten, muss man sich ernsthaft fragen: was geht eigentlich in den Köpfen der Männer vor ? Es ist die schnell herbeigesehnte Lustbefriedigung, es ist der innere Triumph und die Wiedergutmachung für eigenes Leid und eigene Unzufriedenheit, wenn man einen anderen Menschen erniedrigt, demütigt und vergewaltigt. Und da, wie schon zu Anfang erwähnt, der Stärkere sich das Recht nimmt, andere zu dominieren, nutzen Vergewaltiger ihre körperliche Überlegenheit, sobald sich eine günstige Gelegenheit bietet.

Übergriffe auf Frauen können drastisch verringt werden, indem die Ächtung dieser Verbrechen signifikant und deutlich intensiviert wird (Plakate, Zeitschriftenartikel, Suchaktionenen etc.). Dazu muss auch die Mithilfe für die Strafverfolgung vielen Frauen erst mal schmackhaft gemacht und dringend ans Herz gelegt werden. Besonders viel Mut verlangt es, wenn der Täter aus der eigenen Verwandschaft stammt, dann heißt es: lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende !

Und besonders Männer und männliche Jugendlichen müssen lernen, tief in sich zu schauen. Sich kennenlernen und begreifen als Wesen, dass durschschnittlich ein viel höheres Aggressionspotential aufweist als eine Frau. Den Trieb zu einer Frau zu zügeln und in die richtige Bahnen zu lenken, wenn sie "Nein" sagt, wird für gerade für Männer schwer, die selber wenig Akzeptanz von den anderen und von sich selber zu erwarten haben.

Kommen wir zu den Vergewaltigern: merkwürdigerweise kenne ich viele vergewaltigte Frauen, aber keinen einzigen Vergewaltiger. Kein Kumpel, Mann oder Gesprächspartner hat jemals zu mir gesagt, dass er eine Frau vergewaltigt hätte. Da erscheint er sie wieder: die Dunkelziffer !

Kann ein Mann, der eine Frau vergewaltigt hat, auch zu seiner Tat stehen und sie begründen ? Ein Bankräuber kann sagen: "Ich brauchte das Geld", ein Verkehrssünder kann sagen: "Ich war in Eile." Wie aber begründet der Vergewaltiger seine Tat: Argumente wie: "Sie wollte es auch", "Sie hat mich mit ihrem dünnen Kleidchen provoziert" und "Sie hat es darauf angelegt" sind uralt und gehören in die Steinzeitargumentation.

Das Gegenteil ist der Fall: den Vergewaltigern ist schon vor und nach der Tat sehr bewusst, dass sie ganze Existenzen zerstört haben. Nur sie verstecken sich entweder hinter eigenen schlechten Erfahrungen oder haben ihren gewaltätigen Trieb nicht mehr unter Kontrolle. In beiden Fällen fehlt die sittliche Reife und moralische Selbstdisziplin, die gekoppelt mit krimineller Energie für so viel Unheil und Leid sorgen.

Jedem muss so früh wie möglich bewusst werden, dass durch sein Verhalten entweder ein Teufelkreislauf aus der persönlichen Biografie weitergeführt oder unterbrochen wird. Es liegt in der Verantwortung eines jeden, sich darüber im Klaren zu werden, was der Übergriff auf Menschen für gesetzliche Folgen haben kann und muss. Keiner Mann darf das Gefühl haben, dass seine Verbrechen im Dunkeln bleiben => und kein Verbrechen bleibt im Dunkeln, die Sonne bringt es ans Tageslicht !

Das ist er, der Hebelpunkt, an dem die Justiz und die Politik ansetzen muss:" Hier und nicht weiter, liebe Bürger. Es spielt für das Strafmaß keine Rolle, aus welchen Verhältnissen jemand kommt, ob er angetrunken ist oder nicht, oder ob er selber früher sexuell missbraucht worden ist oder nicht. Im Gegenteil: das Bewusstsein, dass man selber missbraucht worden ist, und der Schuldige u.U. nicht mehr bestraft werden kann, stellt einem vor die bittere Erkenntnis, dass das Potential selber Schwächeren ein Leid zufügen, sehr hoch sein kann !"

Und auch diese ewige Verminderung der Schuldfähigkeit durch Alkoholgenuss ist mittel- und langfristig juristisch gesehen sehr schädlich und irreführend: wer Alkohol getrunken hat, muss sich noch im nüchternen Zustand klar und deutlich sagen, dass ab dem ersten Schluck die natürlichen Hemmungen, die einem vor Unsinn und Kriminalität bewahren sollen, Stück für Stück fallen werden.

Auch Frauen, denen man(n) ein großes Leid zugefügt hat, muss klar werden: auch sie stehen in der Verantwortung - einmal gegenüber sich selber, ihrer Seele wieder Frieden zu geben, und einem Rechtsstaat soviel wie möglich Anhaltspunkte, Indizien und Beweise zu liefern, um eine erfolgreich Strafverfolgung einleiten zu können.

Mit der Aussage einer jeden Frau steht und fällt die Aussicht eines Vergewaltigers, weiter seine Verbrechen an Frauen fortzuführen oder nicht. Wer nicht aussaugt, gefährdet den Schutz und die Integrität anderer potentieller Opfer !

Und allen (!!!) Männern muss man klar und deutlich sagen: "Jeder Mann, egal was er für eine gute Erziehung genossen hat, ist ein potentieller / möglicher Vergewaltiger. Dies ist die geringste Erkenntnis, die ein Mann von seiner Natur haben sollte. Und dann sollten man(n) sich immer vor Augen halten: Vergewaltigung verjährt nie, der Arm des Gesetzes wird auch dich finden, sobald eine Frau aussagt. Halte dich lieber mit deinem Heißhunger auf eine Frau zurück, wenn sie "Nein" sagt. Lass dich nicht von deinen eigenen Trieben übertölpen und überlisten, denn: kurz ist der Wahn, lang ist die Reue."

Viele Männer scherzen mit anderen Männern. Wenn die meisten wüssten, wer sich hinter der Maskerade versteckt, dann würde man sich auch nicht über Schreckensnachrichten wundern, dass es Kollegen gibt, die fremde und eigene Kinder gefangenhalten und missbrauchen. Das mag nur die Eisspitze von menschlicher Entgleisung sein und einen oberflächlichen statistischen Wert haben. Aber jede Eisspitze entstammt aus einer Basis, die sich unter der Wasseroberfläche befindet, und die ist tausend mal größer, gewaltiger und erschreckender als das, was man mit dem bloßen Auge erkennen kann.

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