Donnerstag, 20. September 2007

„Die Türken kaufen in 50 Jahren die EU“

von Volkmar Michler

Zu meinem Profit Radar vom letzten Freitag „Ohne Kopftuch“ habe ich ein Mail von Herrn Okan A. erhalten, das ich hier im O-Ton wiedergebe.

Lieber Herr Michler,

seien Sie doch so gut und suchen Sie doch bitte eine Biotechfirma, die dem weißen Mann dieses 1683 Gen isolieren kann.
Wenn ich diesen Absatz „ohne Kopftuch“ lese, bekomme ich Gänsehaut.

Die letzten Geschehnisse in der Türkei beweisen die Reife dieses Landes für die EU. Es gingen Hunderttausende friedlich auf die Straße, und das für die Freiheit. Unter normalen Umständen hätte man doch die ehemaligen Staaten Jugoslawiens 25 Jahre isolieren müssen. Sie haben doch sicherlich diese Bilder 5 Jahre lang auch gesehen.

Ich brauche Ihnen sicherlich nicht erzählen, was die EU Clique überall in der Welt angerichtet hat und immer noch anrichten.
Ich denke, Sie sind ein bisschen parteiisch wegen Ihrer Frankreich-Aufenthalten.

Ich habe mich schon mit Boule spielenden ex Fremdenlegionären unterhalten, auch mit Portugiesischen und belgischen Fallschirmspringern unterhalten, oweia mir hat es den Magen rumgedreht. Es ist nicht so lange her. Diese Geschehnisse mit Neger an den Baum Sprit drüber und dann anzünden. Angola Zaire. Oder gehen Sie doch mal in Newcastle nachts raus Sie werden es nicht Schmerzfrei überleben.

Ich glaube, die Chinesen und Inder werden es sich auch merken, die Vergangenheit. Sie werden sich dementsprechend verhalten, da können Sie Gift drauf nehmen.Seien Sie nicht ungerecht gegen das Volk, das vor allem den Deutschen in den letzten 100 Jahren sehr wohl gesonnen gegenüberstand.

Es war eines Ihrer schlechtesten Berichte. Ich verstehe Ihre Angst, sie ist auf keinen Fall gerechtfertigt. Die Türkei hat die wirtschaftliche Kapazität von 5 EU Ländern gleichzeitig!!
Wenn man die neuen Armenländer dazu zählt sind es vielleicht acht auf einmal.

Also trainieren Sie doch mal gegen dieses 1683 Gen.
Vielleicht kaufen die Türken in 50 Jahren die EU.
Gehen Sie mal nach Istanbul und schauen sich ein Basketballspiel von Efes Pilsen und Panathinakos Athen an, dann werden Sie internationalität und Cosmopolität sehen. Was man von Europa nicht mehr behaupten kann.

Es sind keine Emotionen, sondern Tatsachen.

Viele Grüße
Okan A.

Noch nicht beitrittsfähig

Nun, ich kann verstehen, dass Herr Okan A. als in Deutschland lebender Türkei sein Land verteidigt. Weshalb allerdings ein Basketballspiel ein Indiz für die Beitrittsreife der Türkei sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Hinzu kommt: Mit Paris, London und Berlin gibt es 3 europäische Metropolen, die mindestens genauso international und cosmopolitan sind wie Istanbul. Dass ich mich häufig in Frankreich aufhalte, ist bekannt. Den Hinweis auf die französischen Fremdelegionäre finde ich allerdings absolut peinlich. Ich kann hier überhaupt keinen Zusammenhang erkennen.

Leider kann ich insgesamt in dem Mail von Herrn Okan A. fast nur Emotionen und wenig Fakten entdecken. Das kann ich hier in aller Kürze nachholen.

Ob die Türkei zum europäischen Kulturraum gehört, darüber kann man streiten. Auch Fragen von Integration, Einwanderung, den wirtschaftlichen Auswirkungen eines EU-Beitritts sowie radikal-islamischen Tendenzen sind wichtig. Eine Voraussetzung für die Vorsetzung des Dialogs mit der Türkei – der neue französische Präsident Sarkozy lehnt das zum Beispiel ab, was ich für falsch halte – ist für mich aber: Sind die Werte der EU in Punkto Demokratie und Menschenrechte in der Türkei anzutreffen oder ist zumindest eine Entwicklung in diese Richtung zu erkennen?

Antwort: Eine Entwicklung ist zur erkennen, sie reicht aber bei weitem nicht aus. Konkret: Solange bis heute die Regierung, das Parlament und viele türkische Historiker den Völkermord an den Armeniern leugnen, Schriftsteller wie der Friedensnobelpreisträger Pamuk bedroht und angeklagt werden, solange ist die Türkei schlicht nicht beitrittsreif. Darüber gibt es auch keine Diskussion. Zwar hat es viele Ankündigungen gegeben, zum Beispiel die Rechte von Kurden und christlichen Minderheiten zu stärken, doch die tägliche Praxis sieht anders aus. Das ist aber einer von einer ganzen Reihen von Aspekten, die bei der Diskussion berücksichtigt werden müssen, ob die Türkei EU-Mitglied werden darf oder nicht. Mittelfristig vielleicht, kurzfristig auf keinen Fall – das sind die Fakten, Herr Okan A.

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